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Libyen-KatastropheKlimaforscher Latif zu Mittelmeer-Unwettern: „Explosives Gebräu“

Lesezeit 3 Minuten
ARCHIV - 04.10.2021, Niedersachsen, Werlte: Mojib Latif, Klimaforscher, spricht bei der Eröffnung der neuen Anlage zur Herstellung von CO2-neutralem Kerosin. (zu dpa «Klimaforscher Latif zu Mittelmeer-Unwettern: «Explosives Gebräu») Foto: Sina Schuldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Klimaforscher Mojib Latif gibt dem Klimawandel die Schuld an den zunehmenden Umweltkatastrophen, wie etwa in Libyen.

Wie entstand die Unwetterkatastrophe mit gewaltigen Regenmengen ausgerechnet im Wüstenland Libyen? Die wesentliche Ursache für die verheerenden Starkregenfälle sehen Experten in den viel zu warmen Mittelmeer-Temperaturen.

Die jüngsten schweren Mittelmeer-Unwetter wie in Libyen lassen sich nach Expertenmeinung wahrscheinlich dem Klimawandel zuordnen. Dafür sprächen „diese extremen Niederschläge in ganz, ganz kurzer Zeit“, sagte der Kieler Meteorologe und Klimaforscher Mojib Latif am Mittwochmorgen im Bayerischen Rundfunk.

Tiefs könnten hier „gerade im Herbst besonders intensiv sein, weil das Mittelmeer noch sehr, sehr aufgeheizt ist. Auf der anderen Seite kann dann auch kalte Luft aus dem Norden auf diese warme Luft treffen, und das ist dann so ein explosives Gebräu“, sagte Latif.

Zu warme Wassertemperatur im Mittelmeer als Auslöser

Rund vier Grad, so ergänzte Meteorologe Christian Herold vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach, ist das Wasser im Mittelmeer derzeit wärmer als normalerweise. „Die hohen Wassertemperaturen heizen auch die Luft auf, die dadurch mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann.“

Die verwüstete Hafenstadt Darna. Nach dem verheerenden Unwetter in Libyen wird das Ausmaß der Zerstörung langsam sichtbar. Nach Worten eines Sprechers des Innenministeriums einer der beiden rivalisierenden Regierungen in dem Bürgerkriegsland wurden bei den Überschwemmungen rund 5200 Menschen in den Tod gerissen. Während Retter und Angehörige nach Überlebenden suchen, gelten nach Angaben des Roten Kreuzes inzwischen rund 10.000 Menschen als vermisst.

Die Wassermassen haben eine Schneise der Zerstörung in Libyen hinterlassen.

So enstand eine Wetterlage, die viel Zerstörung über die Region brachte. „Dieses Tiefdruckgebiet beschäftigt uns ja schon viele Tage lang - es hat ja zuerst in Südosteuropa gewütet, in Griechenland, Bulgarien, der Türkei, und dann hat es sich auf dem Mittelmeer noch mal richtig intensiviert und ist zu einer Art Medicane geworden“, sagte Latif, der am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel arbeitet. Als Medicane bezeichnet man einen Mittelmeer-Sturm, der Ähnlichkeiten mit einem tropischen Wirbelsturm hat.

Niederschlag im Mittelmeerraum nimmt deutlich zu

Lässt sich diese Libyen-Katastrophe nun glasklar auf den Klimawandel zurückführen? Auf diese Frage sagte Latif: „Ich vergleiche das immer mit dem berühmten gezinkten Würfel. Wenn wir einen Spielwürfel auf die Sechs zinken, kommt eben die Sechs häufiger. Aber man kann nie genau sagen: Welche Sechs ist nun auf das Zinken zurückzuführen, und welche Sechs wäre ohnehin gekommen?“

Latif betonte die enorme Wucht, die die jüngsten Unwetter im Mittelmeerraum hatten: „In der letzten Woche haben wir Niederschläge gemessen, die hat es so in Europa noch nie gegeben. Das war zum Teil ein Vielfaches dessen, was wir bei uns während der Ahrtal-Flut hatten. Da kann man vielleicht ermessen, um welche Regenmassen es geht und welche Zerstörungskraft hinter diesen Regenmassen steckt.“

Zu Libyen sagte DWD-Experte Herold: „Das Tief ist auf ein Gebirge getroffen und hat sich dort quasi entladen. Sonst gibt es dort wenige Regenfälle im Monat, nun wurden mitunter 414 Liter pro Quadratmeter gemessen.“

Anpassung ist nur begrenzt möglich

Für Klimaforscher Latif muss es nun auch darum gehen, wie eine Region sich anpassen kann. Da sehe er aber auch Grenzen: „Ich glaube, wir waren viel, viel zu sorglos, was den Klimawandel angeht. Ich denke, das ändert sich gerade, dass wir erkennen, Klimawandel bedeutet nicht einfach nur höhere Temperaturen, sondern bedeutet vor allem extremeres Wetter, mehr Schadenspotenzial und vor allen Dingen auch eine gigantische Herausforderung für die Menschen im Sinne der Gesundheit.“ Man könne sich ein Stück weit anpassen, aber es gebe auch Grenzen: „Bei solchen Wassermassen, was wollen sie da noch tun?“ (dpa)