Kirchenrechtler„Mit einem Rücktritt würde Woelki dem Erzbistum einen Gefallen tun“
Köln – In der Debatte um eine mögliche Vertuschung eines Verdachtsfall auf sexuelle Gewalt wächst die Kritik am Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller forderte gegenüber unserer Redaktion den Rücktritt. „Mit einem sofortigen Rücktritt würde Kardinal Woelki sich und dem Erzbistum Köln einen großen Gefallen tun. Und er würde sich sehr peinliche Befragungen ersparen, die kirchenrechtlich zwangsläufig jetzt erfolgen“, sagte er.Schüller betonte, es nütze Woelki nichts, auf Zeit zu spielen und bis zur Veröffentlichung der neuen Missbrauchsstudie im März 2021 zu warten. Eine Befragung des Erzbischofs sei kirchenrechtlich zwingend. Dieser Untersuchungsbericht gehe dann an den Präfekten der Bischofskongregation, die dem Papst eine Empfehlung ausspreche. „Kardinal Woelki wird nach Aktenlage – so oder so – auf jeden Fall zurücktreten müssen“, sagte Schüller. Nach Einschätzung des Kirchenrechtlers ist dieser Fall „eine schwerwiegende Krise für das Erzbistum Köln“.
Woelki gibt Stellungnahme ab
Woelki teilte in einer Stellungnahme mit: „Ich gehe davon aus, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe und der damit verbundene Fall Teil der aktuellen Unabhängigen Untersuchung sind. Nur auf Basis einer vollständigen Aufarbeitung können wir aus systematischen Verfehlungen lernen und personelle und organisatorische Konsequenzen ableiten.“Laut einem Medienbericht soll Woelki als Erzbischof 2015 einen Fall schweren sexuellen Missbrauchs aus den späten 1970er Jahren durch den Düsseldorfer Pfarrrer O. nicht an den Vatikan gemeldet haben. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zufolge soll der Erzbischof nach Sichtung von Personalunterlagen verfügt haben, den Missbrauchsvorwürfen gegen den 1929 geborenen Pfarrer nicht weiter nachzugehen, keine kirchenrechtliche Voruntersuchung einzuleiten und der Fall nicht an den Apostolischen Stuhl zu melden.
Das Erzbistum bestätigte das. Es teilte allerdings mit, dass der Pfarrer „nicht vernehmungsfähig“ gewesen sei. „Ein zweiter Schlaganfall und eine fortgeschrittene Demenz machten eine Konfrontation zur Aufklärung des Falles unmöglich. Das verhinderte auch eine kanonische Voruntersuchung, da der potenzielle Betroffene ausdrücklich nicht an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken wollte, sich nicht einmal eine Konfrontation von Pfarrer O. wünschte und auch andere Möglichkeiten zur Aufklärung, beispielsweise Zeugen, nicht vorhanden waren“, heißt es in einer Stellungnahme. Mittlerweile sei der Pfarrer tot. (epd/EB)