- Johnson handelte illegal, Trump soll den ukrainischen Präsidenten genötigt haben.
- In normalen Zeiten, wäre ein Regierungschef nun erledigt.
- Aber die Zeiten sind nicht normal, und Trump und Johnson sind keine normalen Politiker...
Es war eine harte Woche für Donald Trump und Boris Johnson. Gegen den einen wurde ein Amtsenthebungsverfahren gestartet, dem anderen wurde vom Obersten Gericht bescheinigt, er habe Recht gebrochen. Und dennoch spricht viel dafür, dass sowohl der US-Präsident als auch der britische Premierminister den Proteststurm von Bürgern, Opposition und Medien überstehen, wenn nicht gar stärker daraus hervorgehen werden.
Trump soll den ukrainischen Präsidenten genötigt haben, belastendes Material über den Rivalen Joe Biden zu sammeln. Das wäre illegal. Und Johnson handelte illegal, als er das Parlament in eine Zwangspause schickte. In normalen Zeiten, unter den üblichen Naturgesetzen der Politik, wäre ein Regierungschef nun erledigt. Aber die Zeiten sind nicht normal, und Trump und Johnson sind keine normalen Politiker. Für die beiden Populisten gilt: Je heftiger der Sturm, desto mehr Wind bekommen sie in die Segel. Bisher deutet nichts darauf hin, dass ihnen ihr Handeln in den Umfragen schadet.
Doch so gleich
Die beiden haben verschiedene Herausforderungen, aber es gibt Parallelen. Der Amerikaner will im kommenden Jahr wiedergewählt werden, der Brite will Neuwahlen. Also wollen sie ihre Wähler bei Laune halten – und gehen dabei immer skrupelloser vor. Trump und Johnson versuchen erst gar nicht, möglichst vielen Wählern zu gefallen. Sie zielen auf den harten Kern: In den USA die eingefleischten Trump-Fans und jene, die sich allgemein vom verhassten Washington im Stich gelassen fühlen. In Großbritannien sind es die Brexit-Befürworter, die den EU-Austritt nach jahrelangem Gezerre nun endlich auch sehen wollen. Die Strategie ist riskant, aber Trump und Johnson sind Spieler. Hoher Einsatz, hoher Gewinn.
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Gelingt es ihnen, diese Wähler plus ein paar Unentschlossene für sich einzunehmen, stehen die Chancen auf eine Wiederwahl gut. Denn durch das Mehrheitswahlrecht reicht es, in den einzelnen Wahlbezirken beziehungsweise Bundesstaaten stärkste Partei vor den anderen zu werden – der Gewinner bekommt alles. So konnte Trump 2016 auch Präsident werden, obwohl mehr Menschen für Hillary Clinton gestimmt hatten.
Nur noch mehr Wind in die Segel
Die Ereignisse dieser Woche dürften beiden Populisten geholfen haben. Vor allem Trump: Das Amtsenthebungsverfahren, das angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Senat scheitern dürfte, hat die Reihen der Republikaner erst einmal geschlossen. Die Ermittlungen werden den Wahlkampf prägen. Wenn sich kein hieb- und stichfester Beweis für ein Fehlverhalten findet, werden sie lang, zäh und unübersichtlich, und es wird für die Phalanx aus Trump, seiner Partei und dem rechten Krawallsender Fox News leicht, sie als „Hexenjagd“ zu diskreditieren.
Trumps Botschaft: Ich kämpfe unermüdlich für neue Jobs, während die Demokraten mich böswillig behindern. Das verfängt in diesem extrem polarisierten Land. Johnson feiert sich derweil als Garant des EU-Austritts, für den die Briten 2016 mehrheitlich gestimmt hatten. Er muss Nigel Farage und dessen Brexit-Partei kleinkriegen. Parlament und Gerichte, so Johnson, stünden dem Volkswillen im Weg, weshalb Tricks und notfalls Gesetzesverstöße eben auch mal sein müssten.
Wann wird es gefährlich?
Bisher haben Trump und Johnson damit Erfolg. Auch, weil die Opposition beklagenswert verzagt (USA) oder kopflos und zersplittert (Großbritannien) ist und sich nicht als klare Alternative darstellt. Für Populisten wie Trump und Johnson wird es erst dann gefährlich, wenn sie ihre Versprechen nicht halten können: Wenn es mit der US-Wirtschaft bergab geht oder sich der Brexit weiter verzögert.
Vorerst aber scheint zumindest für Trump der Satz zu gelten, den er im Jahr 2016 gesagt hat: Er könne auf der 5th Avenue in Manhattan jemanden erschießen – die Leute würden ihn trotzdem wählen.