Seit Montagmorgen laufen auch an den westlichen Außengrenzen von Nordrhein-Westfalen zusätzliche Grenzkontrollen der Bundespolizei. In einer ersten Bilanz konnten die Beamten bereits Erfolge mitteilen.
Verstärkte GrenzkontrollenBlick auf den Sonderfall Herzogenrath zeigt Schwierigkeiten auf
Die Neustraße in Herzogenrath, beziehungsweise Kerkrade ist rund 1,6 Kilometer lang. Sie gehört zugleich zu Deutschland und den Niederlanden. Denn genau dort verläuft die deutsche Außengrenze zum Nachbarland. Heute ist sie im Grunde nicht mehr zu erkennen, außer an den zweisprachigen Straßennamenschildern und einer Erklärungstafel ungefähr auf der Hälfte der Straße. Allein auf der Neustraße in Herzogenrath gibt es acht Straßen, die von da aus nach Deutschland führen. Und da das südliche Herzogenrath faktisch ineinander übergeht in die niederländische Nachbargrenzstadt Kerkrade, ist die Neustraße somit nur ein Beispiel für eine Grenze, die „sperrangelweit“ offen ist.
Mit dem Start der Kontrollen durch Beamte der Bundespolizei an den westlichen deutschen Außengrenzen stellt sich daher die Frage: Wer soll all diese Übergänge – allein in Herzogenrath – kontrollieren? Dem Bürgermeister der Grenzkommune, Benjamin Fadavian (34), wäre es laut eigener Aussage recht, wenn die Kontrollen smart und angemessen durchgeführt werden. Am ersten Tag kann er zumindest schon mal eine entspannte Bilanz ziehen: „In Herzogenrath war heute alles ruhig. Wir hoffen, dass sich die möglichen Kontrollen an unserer Grenze in den kommenden Wochen und Monaten gut einspielen werden, damit die Menschen dies- und jenseits der Grenze möglichst wenig Einschränkungen erleben.“ Es dürfe auf keinen Fall so laufen, wie man das in der Corona-Zeit erlebt habe, als nach Ankündigung der Kontrollen, die Leute ad hoc Hamsterkäufe erledigt und somit die Geschäfte unnötig belastet haben, so Fadavian.
Wer in Herzogenrath unterwegs ist, sieht überall Autos mit niederländischem Kennzeichen. „Ja, ein wenig komplizierter könnte es werden. Aber schauen wir mal“, sagt eine Niederländerin in der Kleikstraße, nahe des Bahnhofs, die es eilig hat. Der Inhaber des Eiscafés Calvi sieht die Sache ein Stück weit entspannter: „Wir haben viele holländische Gäste. Vielleicht kommen ein paar weniger, ja. Aber wir gehen ab Ende September in die Winterferien – daher ist das jetzt für uns nicht so dramatisch.“
Grenzkontrollen: Einnahmeeinbußen befürchtet
In der Shell-Tankstelle in der Voccartstraße sehen sie die drohenden verstärkten Kontrollen in Herzogenrath nicht so locker. Eine Mitarbeiterin äußert auf Nachfrage, dass sie schon mit Einnahmeeinbußen rechnen: „Definitiv werden wir das merken. Wir sind eine 24-Stunden-Tankstelle. Die Leute aus den Niederlanden tanken hier rund um die Uhr und kaufen vor allem auch Zigaretten und Alkohol, um Geld zu sparen. Einige befürchten mit Sicherheit, dass bei den Kontrollen auch die Waren kontrolliert werden und meiden das Risiko.“ Zur Einordnung folgende Informationen: Die Beschränkung bei Zigaretten liegt bei 800 Stück, was umgerechnet etwa 40 Päckchen sind. Beim Bier sind es 16 Liter, bei Spirituosen mit mehr als 22 Volumenprozent ist es ein Liter.
Ralf (33) aus der Nähe der niederländischen Nachbarstadt Kerkrade sagt, dass man in Zukunft sicher ein bisschen mehr aufpassen müsse wegen der Zigaretten und so. Aber zum Tanken sei das mit den Kontrollen sicher kein Problem. „Wir finden hier immer Wege an den Kontrollen vorbei“, schmunzelt er.
Auf niederländischer Seite, am Voetbalveldje (Fußballplatz), in Kerkrade erzählt Jo (72), dass er Deutschland verstehe. „Es kommen zu viele, da muss man was machen.“ Und wenn man mal warten müsse, sei das nicht so schlimm. Er werde weiter auf der deutschen Seite tanken, fügt er lachend hinzu. Marco (57) kommt mit seinem Hund vorbei. „Für uns hat das doch kaum Auswirkungen. Wir haben hier so viele Straßen, die nach Deutschland führen, kein Problem.“
Stichprobenartige Kontrollen zeigen erste Erfolge am Montag
Am Nachmittag zog die Bundespolizei bereits eine erste Bilanz. In Nordrhein-Westfalen seien an den Grenzen zu Belgien und den Niederlanden bereits die ersten Erfolge zu verzeichnen. „Es gab heute schon Aufgriffe, wo einzelne Personen die Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt haben und wo wir hier auch an der Grenze in Einzelfällen dann Einreiseverweigerungen ausgesprochen und Zurückweisungen in unsere Nachbarländer durchgeführt haben“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei am Rande einer Kontrolle auf dem Rastplatz Königsberg an der Autobahn 44 bei Aachen.
Seit dem Montagmorgen habe die Bundespolizei schon intensive Kontrollen im Rahmen der vorübergehend wieder eingeführten Grenzkontrollen durchführen können. Wie viele konkret durchgeführt wurden, konnte der Sprecher nicht sagen. Auch dazu, wie viele Beamten im Einsatz waren, gab es seitens der Bundespolizei keine Angaben. Die Kontrollen, die bis zu 30 Kilometer entfernt von der NRW-Grenze erfolgen sollen, sind für ein halbes Jahr geplant.
Lkw-Fahrer Dieter (61) fährt seit rund 40 Jahren Lasttransporte mit großen Zugmaschinen. Er glaubt nicht, dass die angekündigten stärkeren Kontrollen an der belgisch-deutschen Grenze zu größeren Wartezeiten führen werden. „Hier auf der A44 wird das nicht schlimm, da bin ich sicher. Wir haben das doch während der Fußball-Europameisterschaft bereits gehabt. Da gab es auch schärfere Kontrollen, und das hat meiner Erfahrung nach gut funktioniert.“ (mit dpa)