Seit Montag gibt es Einreisekontrollen an allen deutschen Außengrenzen. Das Schengener Abkommen wird bis zum Äußersten strapaziert – und die Geduld der Nachbarn auch.
GrenzkontrollenDas nächste Mal ruft Scholz besser früher an
Wenigstens hat er zum Telefonhörer gegriffen. Am Wochenende telefonierte Bundeskanzler Olaf Scholz mit ein paar europäischen Regierungschefs wegen der Kontrollen, die seine Regierung seit heute an allen deutschen Grenzen zu Lande durchführen lässt, und er wollte auch bei den übrigen Nachbarn anrufen. Noch besser wäre es gewesen, Scholz hätte seine Anrufe getätigt, bevor seine Innenministerin vergangene Woche die Kontrollen anordnete.
Denn mit diesen Kontrollen strapaziert Deutschland das Schengener Abkommen bis aufs Äußerste. Juristisch mag das noch durchgehen, aber zur Pflege einer gutnachbarlichen Beziehung reicht es nicht, gerade so eben im Recht zu sein.
Diese lebenspraktische Erkenntnis sollte auch beherzigen, wer wie CDU-Chef Friedrich Merz verlangt, die Praxis von Zurückweisungen massiv auszuweiten. Selbst wenn das EU-rechtlich möglich wäre – darüber streiten die Gelehrten –, sollte man an die politischen Konsequenzen denken. Denn bei der Regelung der Migration ist Deutschland auf die Kooperation der Nachbarn angewiesen.
Geschlossene Grenzen sind eine Illusion
Dass Deutschland 3876 Kilometer Landgrenze komplett dichtmachen könne und dann alles in Ordnung sei, ist eine Illusion. Auch die aktuellen Kontrollen können nur Stichproben sein. Ampelkoalition und Opposition müssen aufpassen, dass sie keine unerfüllbaren Erwartungen wecken. Ja, sie stehen innenpolitisch unter hohem Druck. Nach Umfragen laufen zum Beispiel fast 30 Prozent der brandenburgischen Wahlberechtigten der dortigen AfD mit dem Rechtsextremisten Hans-Christoph Berndt hinterher, die Flüchtlinge von allen öffentlichen Veranstaltungen ausschließen will.
Derart infame Forderungen stoßen auf mehr Resonanz, als sie es – schlimm genug – normalerweise täten, weil es bisher nicht gelungen ist, die irreguläre Migration in die EU wirksam zu begrenzen. Aber diese Migration ist eben ein Problem der ganzen EU – in Griechenland und Österreich beispielsweise noch stärker spürbar als in Deutschland –, und ihr kann nur im Verbund der EU begegnet werden.
Die für 2026 vereinbarte Reform des europäischen Asylrechts ist ein erster Schritt. Vielleicht gelingt es, sie vorzuziehen und weiterzuentwickeln. Das ist mühsam. Dazu braucht es das Gespräch mit den Partnern. Und dazu gehört, dass der Kanzler beim nächsten Mal früher anruft.