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„Moskau-Connection setzt sich durch“SPD-General Miersch will Annäherung an Schröder – Entsetzte Reaktionen

Lesezeit 3 Minuten
Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zu Beginn des Festaktes im Mecklenburgischen Staatstheater.

Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zu Beginn des Festaktes im Mecklenburgischen Staatstheater.

Seit dem russischen Angriffskrieg wird der Altkanzler wegen seiner Putin-Freundschaft geächtet. Der neue Generalsekretär schlägt andere Töne an.

Der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch ist auf den umstrittenen Altkanzler Gerhard Schröder zugegangen und hat deutlich gemacht, dass er diesen als Teil der Partei sieht. Auf eine Frage, ob es Raum für Schröder in der deutschen Sozialdemokratie geben müsse, sagte Miersch dem „Stern“: „Ja. Sonst hätte Gerhard Schröder aus der Partei ausgeschlossen werden müssen“.

Der Altkanzler hält trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine an seiner Freundschaft mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin fest und ist weiterhin für die mehrheitlich russischen Gesellschaften der Nord-Stream-Pipelines durch die Ostsee tätig. Von der SPD-Führung wird er deshalb ausgegrenzt. Ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn scheiterte aber.

Miersch, der im vergangenen Jahr als Vorsitzender von Schröders Heimat-SPD-Bezirk Hannover an der Feier zur 60-jährigen Parteimitgliedschaft des Altkanzlers teilnahm, betonte: „Wir haben zwei Schiedsgerichtsverfahren gegen Gerhard Schröder gehabt. Beide haben ihm bescheinigt, dass er sich nicht parteischädigend verhalten hat.“ Der Fall sei „aus juristischen Gesichtspunkten abgeschlossen“.

Entsetzte Reaktionen auf Miersch-Vorstoß zu Gerhard Schröder

Die Reaktionen der politischen Öffentlichkeit auf das „Stern“-Interview sind heftig. „Gas-Gerd“ kehre jetzt zurück, heißt es in den sozialen Medien – eine Anspielung auf Schröder als Lobbyist für russisches Gas. Den nächsten Schritt in Richtung Russland-Annäherung der SPD sehen viele dann in einer Brandenburger Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Wagenknecht besteht darauf, die Absicht zu „Friedensverhandlungen“ mit Russland in den Koalitionsvertrag auf Landesebene mit aufzunehmen.

Besonders empört zeigt sich der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk. Melnyk, der Teile der SPD und auch Kanzler Scholz bereits in der Vergangenheit wegen ihrer zögerlichen Haltung bezüglich der Waffenlieferungen kritisiert hatte, fragt bei X, ob die SPD die Rehabilitierung Schröders tatsächlich ernst meine. „Mützenich übt Rache“, meint der streitbare Melnyk und nimmt damit Bezug auf frühere Äußerungen des SPD-Fraktionschefs Rolf Mützenich über ein „Einfrieren“ des Krieges.

Auch der Osteuropa-Experte Jan Claas Behrends äußert sich verständnislos bei X. Er schreibt von einer Rückkehr der SPD zum „Putinkurs“.

In Mierschs' Vorstoß sieht er einen Kniefall vor Schröder und stellt dies in Kontrast zu Willy Brandts Kniefall in Warschau.

Der Kölner Politologe Thomas Jäger schreibt, die „Moskau-Connection“ in der SPD habe sich durchgesetzt.

Der Journalist Paul Ronzheimer findet ebenfalls starke Worte: Die Miersch-Äußerungen über Schröder seien ein „Skandal und desavouieren alles, was Parteichef Klingbeil nach dem 24. Februar 2022 gesagt hat“, so Ronzheimer bei X. Die Abgrenzung bestimmter Teile der SPD von „Gas-Gerd“ hätte also in Wahrheit nie stattgefunden oder sei nur taktisch bedingt. Schröder sei ein „Kriegsverbrecher-Lobbyist“, die SPD „moralisch verkommen“. (dpa, cme)