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Fragen und Antworten zum BürgergeldLohnt sich Arbeit überhaupt noch?

Lesezeit 4 Minuten

Berlin – Im Januar will die Bundesregierung das neue Bürgergeld einführen. Die Grundsicherung für Arbeitslose soll dann etwa 50 Euro höher sein als die bisherigen Hartz-IV-Leistungen und mit weniger Druck vom Jobcenter verbunden sein. Bereits vor den endgültigen Entscheidungen in Bundestag und Bundesrat wird heiß darüber diskutiert.

Vergleich mit Arbeitnehmern

Mit diversen Beispielrechnungen wird unter anderem in sozialen Medien immer wieder argumentiert: Menschen, die arbeitslos sind und Bürgergeld empfangen, hätten künftig monatlich genauso viel Geld in der Tasche wie manch Arbeitnehmer. Teils wird sogar behauptet, Arbeitslose hätten Hunderte Euro mehr. CSU-Chef Markus Söder sagte zum Beispiel jüngst im ZDF, bestimmte Menschen in den unteren Einkommensgruppen würden „am Ende, wenn sie arbeiten, weniger haben, als wenn sie nicht arbeiten“. Zuvor hatte seine Partei die Kampagne „Leistung muss sich lohnen!“ initiiert.

Die CSU rechnet etwa vor: Ein Alleinstehender, der ab 2023 Bürgergeld empfange, habe am Ende genauso viel Geld zum Leben übrig wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer mit einem Bruttolohn von etwa 2500 Euro. Denn anders als der Arbeitslose bekomme der Arbeitnehmer weder Wohnung noch Heizkosten vom Staat finanziert, sondern müsse alles aus eigener Tasche bezahlen, so die These. Die CSU übernimmt für ihr Beispiel haargenau dieselben Daten, die schon Wochen zuvor etwa die rechtskonservative Wochenzeitung „Junge Freiheit“ und mehrere AfD-Kreisverbände verbreitet hatten.

Rechenbeispiele oft unvollständig

Häufig werden bei Beispielen wie diesen staatliche Leistungen verschwiegen, die im Niedriglohnsektor zustehen: etwa Wohngeld, Kinderzuschläge, Unterhaltsleistungen oder Freibeträge – also zusätzliches Geld, das nur Erwerbstätige beantragen können. Durch die Unterschlagung dieser Zuschüsse fallen die Ergebnisse solcher Rechnungen für Beschäftigte im Niedriglohnsektor teils um mehrere Hundert Euro zu niedrig aus.

Union lehnt Bürgergeld trotz Änderungen weiter ab

Trotz Änderungen am ursprünglichen Regierungsentwurf für das geplante Bürgergeld steht die Einführung zum 1. Januar noch immer auf der Kippe. Mehrere Politiker der Union haben am Wochenende ihre ablehnende Haltung bekräftigt. Sachsen CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer kündigte etwa an, die Reform blockieren zu wollen. „Das Bürgergeld in der jetzigen Form ist ein Fehler“, sagte er. Kretschmer und seine Amtskollegen von CDU und CSU könnten im Bundesrat ihr Veto gegen das Bürgergeld-Gesetz einlegen.

Die Nachbesserungen der Ampel-Fraktionen betreffen vor allem die zweijährige Karenzzeit – eine Art Schonzeit für Leistungsempfänger mit milderen Regelungen. Vorgesehen ist nun etwa, dass die Heizkosten während dieser Zeit nur noch in angemessener Höhe übernommen werden sollen. Der ursprüngliche Regierungsentwurf sah an dieser Stelle kein Limit vor. Neu ist auch, dass Leistungsempfänger künftig neben der Erklärung, kein erhebliches Vermögen zu haben, auch noch zusätzlich eine Selbstauskunft beifügen müssen. (dpa)

Die Differenz zwischen Bürgergeld und Gehalt zu berechnen, ist nämlich nicht so simpel, wie oft suggeriert wird. Im Gegenteil: Berechnungen von Bedarfen auch bei Niedriglohnempfängern sind hochkomplex – und vor allem individuell. Ob staatliche Leistungen gezahlt werden, hängt von konkreten Faktoren wie Größe und Kosten der Wohnung, Wohnort oder Anzahl der Familienmitglieder ab.

Grundsätzlich haben in Deutschland Berufstätige mehr Geld zur Verfügung als heutige Hartz-IV- und künftige Bürgergeld-Empfänger. Zudem hat Arbeitslosigkeit auch im Alter Folgen. Beim Bürgergeld werden keine Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt. Jeder Monat in der Grundsicherung schmälert also künftige Rentenzahlungen.

Zuschüsse für Niedriglöhner

Menschen mit geringem Einkommen können verschiedene Zuwendungen erhalten – besonders Familien. Da wäre zum Beispiel das Wohngeld. Dessen Höhe hängt vom Netto-Einkommen des Haushalts, der Zahl der Haushaltsangehörigen und den Mietkosten ab. Der Betrag kann bei geringen Gehältern in einem Drei-Personen-Haushalt einer Alleinerziehenden durchaus mehrere Hundert Euro ausmachen. Ab Januar 2023 soll das Wohngeld nach Plänen der Ampel-Koalition erhöht und die Empfängergruppe um 1,4 Millionen Bürger erweitert werden.

Über die Höhe eines Kinderzuschlags wird individuell entschieden je nach Einkommen, Wohnkosten, Größe der Familie und dem Alter der Kinder. Voraussetzung ist, dass eine Alleinerziehende oder ein Alleinerziehender ein Bruttoeinkommen von mindestens 600 Euro und Paare von mindestens 900 Euro haben. Beispiel: Eine Mutter mit zwei Kindern bekommt bei einem Bruttogehalt von bis zu 2100 Euro und einer Warmmiete von etwa 790 Euro bis zu 229 Euro monatlich pro Kind.

Der staatliche Unterhaltsvorschuss für Kinder von erwerbstätigen Alleinerziehenden wird gezahlt, wenn das andere Elternteil nicht regelmäßig oder in voller Höhe Unterhalt für seine Kinder beisteuert. Der Vorschuss beträgt (Stand: 1. Januar 2022) für Kinder zwischen 6 und 11 Jahren monatlich bis zu 236 Euro, bei älteren sogar bis zu 314 Euro. (dpa)