Frage des TagesWar's das mit der Zölibat-Reform?
- In seinem Schreiben Querida Amazonia erwähnt Papst Franziskus die Debatte um die Reform des Zölibats nicht.
- Dabei würde eine Lockerung dem Priestermangel nicht nur in Südamerika entgegenwirken.
- Dennoch ist die Nicht-Entscheidung von Papst Franziskus aus innenkirchlicher Sicht das Richtige.
Vatikan – Papst Franziskus gilt als Mann der Überraschungen. Dieser Fama hat der Oberhirte der katholischen Kirche nun wieder alle Ehre gemacht.
Der katholische Kosmos erwartete sich von seinem postsynodalen Schreiben zu Amazonien je nach Position die Lösung aller Probleme oder den drohenden Untergang der Kirche, jedenfalls aber die Öffnung des Priesteramts für verheiratete Männer und die Zulassung von Frauen für den ständigen Diakonat, also eine Art Vorstufe zum Priestertum.
Papst entzieht sich der Debatte
Der Papst hat sie alle auf dem falschen Fuß erwischt. In seinem am Mittwoch veröffentlichten Schreiben Querida Amazonia (Geliebtes Amazonien) ist weder von einer Lockerung des Pflichtzölibats noch vom Frauendiakonat die Rede. Selbst in den Fußnoten suchte man vergeblich. Der Papst entzog sich der Debatte.
2016 nach der Familiensynode hatte Franziskus in seinem Schreiben im Kleingedruckten die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion versteckt. Selbst dazu fehlte Franziskus nun der Mut.
Weiheämter für Frauen wurden gefordert
Nimmt man das Ergebnis der Beratungen der Bischöfe im vergangenen Oktober bei der Amazonien-Synode im Vatikan zum Maßstab, ist das Papst-Schreiben gewiss ein Rückschritt.
Angesichts des Priestermangels in dem weitläufigen Gebiet in Südamerika hatten die Bischöfe damals die Weihe sogenannter viri probati, also bewährter, verheirateter Familienväter vorgeschlagen und ganz konkret Weiheämter für Frauen gefordert.
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Die Entwicklung war extrem umstritten, da Gegner der Reformen befürchteten, Amazonien könne als Präzedenzfall für andere Regionen mit ähnlichen Problemen benutzt werden und letztendlich den Anfang vom Ende des Pflichtzölibats bedeuten.
Papst spricht sich für kompromisslose Beibehaltung des Zölibats aus
Franziskus hat diesen Bedenken nun Rechnung getragen, weil er offenbar die Zeit für derartige Veränderungen in der katholischen Tektonik doch noch nicht gekommen sah.
Nicht nur die gesamte erzkonservative Riege in der katholischen Kirche, auch sein orthodoxer Vorgänger Benedikt XVI. hatte sich in einem umstrittenen Buch-Beitrag für die kompromisslose Beibehaltung des Pflichtzölibats ausgesprochen.
Papst-Text vs. Bischof-Vorschlag
Gewiss hat Franziskus sein Urteil nicht an der Meinung des emeritierten Papstes orientiert. Aber die konzertierte Kampagne gegen die Reformbemühungen in Amazonien machte deutlich, welches Konfliktpotential in den vom Papst zu treffenden Entscheidungen schlummerte. Sogar von der Gefahr einer Kirchenspaltung war die Rede.
Im Hinblick auf die Empfehlungen der Bischöfe vom Oktober stellte Franziskus fest, der Text (mit den Vorschlägen zur Lockerung des Pflichtzölibats) besitze weiterhin Gültigkeit. Damit stehen nun zwei Dokumente nebeneinander, aber welches gilt? Der Papst-Text oder die Vorschläge der Bischöfe?
Fluide Amtsführung vom Papst
Dieses Vorgehen hat bei Franziskus Methode. Mann kann diese Ambivalenz am Besten als fluide Amtsführung kennzeichnen. Der Papst schiebt an, lockt hervor, setzt selbst oft Maßstäbe, aber manchmal zaudert er eben auch. Das bedeutet für den vorliegenden Fall: Franziskus will kein Machtwort sprechen.
Die auf Zölibat und Diakonat zugespitzte Diskussion ist nun entschleunigt, aber längst nicht beendet. Die Reformer in Deutschland um den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx haben es nun dennoch schwer.
Zwar fordert Franziskus in seinem Schreiben etwa die Entwicklung einer neuen Laien-Kultur in der Kirche, aber das ist zu wenig für die Verfechter des synodalen Weges, die mit Öffnungen bei den Themen Zölibat, Sexualmoral und der Rolle der Frau das verloren gegangene Vertrauen vieler Menschen wiedergewinnen wollen.
Nicht-Entscheidung des Papsts ist richtig
Marx und die Seinen kommen sich nun vor wie gelackmeierte Neu-Schwimmer, denen der Schwimmlehrer gesagt hat: „Kommt, lasst uns weit ins Meer hinaus schwimmen!“ Dann drehte der Schwimmlehrer auf halbem Weg um.
Dennoch ist die Entscheidung oder besser gesagt die Nicht-Entscheidung des Papstes aus innenkirchlicher Sicht das Richtige. Franziskus, der trotz dieses Rückziehers ein Reformer bleibt, hat immer gesagt, es gehe darum, Prozesse einzuleiten und nicht Entscheidungen mit aller Gewalt durchzusetzen.
Der Prozess geht weiter. Die katholische Kirche, die weit mehr als die Teilkirche in Deutschland umfasst, ist in seinen Augen immer noch nicht reif für große Veränderungen.