Die Grünen-Chefin von NRW im Interview„Armin Laschet trägt Mitschuld an Protesten“
- Mona Neubaur ist Chefin der Grünen in Nordrhein-Westfalen.
- Im Interview spricht sie über die Corona-Krise inklusive der damit einherkommenden wirtschaftlichen Schäden.
- Außerdem wirft sie einen Blick zurück auf die Proteste, die sich in den vergangenen Wochen landesweit ereignet haben - und welche Rolle armin Laschet dabei spielt.
Düsseldorf – Maximilian Plück sprach mit der nordrhein-westfälische Grünen-Chefin über „ein grünes Wirtschaftswunder“.
Frau Neubaur, wie beurteilen Sie die NRW-Lockerungen?
Neubaur: Herr Laschet ist wiederholt aus dem Länderkonsens ausgeschert und bei den Lockerungen vorgeprescht. Er muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er damit der Akzeptanz für den Lockdown und dem Verständnis für die Gefährlichkeit des Virus einen Bärendienst erwiesen hat. Das führt mit dazu, dass nun Menschen gegen die Einschränkung ihrer Grundrechte zu Tausenden demonstrieren – und sich dabei leider Verwirrte und Rechtsextreme daruntermischen.
Man könnte auch argumentieren, Laschet erfülle doch zentrale Forderungen der Demonstranten.
Das Problem ist doch, dass keine klare Strategie erkennbar ist. Was da vom Land kommt, ist alles ei n bisschen nebulös und in Teilen widersprüchlich und ohne klare Vorgaben für die, die es vor Ort umsetzen müssen. Einige schwere Einschränkungen bleiben bestehen, Eltern von Klein- und Schulkindern werden alleingelassen, dafür machen wir Restaurants, Indoorspielplätze und Möbelhäuser auf. Das passt alles nicht.
Gerade bestimmen Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen und Paketverteilzentren die Schlagzeilen. Was ziehen Sie daraus für Schlüsse?
Aktuell werden Probleme offenbar, die die Gesellschaft viel zu lange ignoriert hat. Diese unerwartete Aufmerksamkeit müssen wir jetzt nutzen und beispielsweise die Gesundheitsämter und den Arbeitsschutz so ausrüsten, dass effektive Kontrollen möglich und die Missstände abgeschafft werden. Und wir brauchen neue Regelungen für Werkvertragsverhältnisse, die die Arbeitnehmer vor Ausbeutung schützen.
Klingt zwar gut, aber die öffentlichen Haushalte bluten gerade dank wegbrechender Einnahmen und zusätzlicher Aufgaben aus.
Wir stehen an einer politischen Zeitenwende. Wir haben ein kurzes Zeitfenster, in dem Bund und Land immense Summen für einen Neustart mobilisieren. Hilfsprogramme für die Wirtschaft müssen wir an ökologische und soziale Bedingungen knüpfen. Wir können große Fragen angehen: Wie sollen unsere Lebensmittel produziert werden, wie wollen wir mit Jobs umgehen, bei denen es um die Betreuung von Menschen geht? Wie soll die Mobilität von morgen aussehen und wie eine klimaneutrale Industrie? Wann, wenn nicht jetzt, starten wir ein grünes Wirtschaftswunder? Allerdings deutet bei dieser Bundesregierung alles darauf hin, dass der Einfluss der Old Economy so groß ist, dass es beim „Weiter so“ bleibt.
Wie beurteilen Sie die Knüpfung der Lockerung an die Zahl der Neuinfizierten?
Bund und Land wälzen da meines Erachtens die Verantwortung für die Kontrolle, das Management und die Regulierung auf die Gebietskörperschaften der Kommunen ab. Angesichts der ohnehin schon vorhandenen personellen und finanziellen Überlastung dem Landrat oder Oberbürgermeister den Ball zuzuspielen, ist verantwortungslos.
Olaf Scholz hat jüngst eine Übernahme der Altschulden ins Spiel gebracht. Guter Vorstoß?
Wir Grüne fordern seit Jahren einen Schuldenschnitt für die Kommunen. Dieser muss zudem von einem echten Rettungsschirm flankiert werden. Das muss jetzt aber schnell gehen und nicht wieder im Streit der Koalitionäre und der Länder aufgerieben werden. Wenn die Kommunen jetzt wieder Geld in die Hand bekommen für dringend notwendige Investitionen in Schulgebäude und öffentliche Infrastruktur, wäre das beispielsweise ein Soforthilfeprogramm für die örtlichen Handwerksbetriebe.
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Erstens müssen wir als Lehre aus der Corona-Krisen schnell Schulen und Kitas allumfassend ertüchtigen. Zweitens müssen wir die Verkehrswende noch konsequenter vorantreiben – sowohl was Verkehrsberuhigungen in den Großstädten angeht als auch smarte Konzepte für die Anbindung des ÖPNV der ländlichen Regionen an die Stadt. Und drittens werden wir für bezahlbaren Wohnraum mobilisieren. Egal ob auf dem Land oder in der Stadt.