Kommentar zu Hygiene-DemosDie Corona-Angst wird missbraucht
Köln – Die Empörung war groß nach den letzten „Corona-Demos“. Zu Recht, soweit sie sich auf die rücksichtslosen Anheizer bezog, die sich als Komplettverweigerer aller Schutzmaßnahmen in den Vordergrund schoben. Eine Provokation mit gefährlicher Blend-Wirkung.Denn es waren weitaus mehr Menschen auf den Straßen, es waren viele tausend bundesweit, die sich an die Regeln hielten und ihre Meinung, ihre Wut, ihre Unsicherheit, ihr Unverständnis ausdrücken wollten. Aus gutem Grund ist dies auch in Zeiten, in denen besondere Sicherheitsregeln zu beachten sind, möglich und muss möglich sein. Auch an diesem Wochenende wieder.
Eine beunruhigende Mischung
Beunruhigend ist, dass es vielfältige Beweggründe für diese Aktionen und völlig unübersichtliche Teilnehmer-Gruppen gibt. Menschen, deren wirtschaftliche Existenz bedroht ist, die alleinerziehend gerade verzweifeln oder um die Achtung der Grundrechte fürchten, protestieren auf dem Boden der Verfassung. Die Sicherheitsbehörden machen unter den Demonstranten aber auch NPD-Funktionäre und Mitglieder der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ aus, ebenso Linksextreme. Impfgegner halten ihre Parolen hoch und Verschwörungstheoretiker, dazwischen C-Promis wie der Showkoch Attila Hildmann.
Wer will eigentlich was? Und warum jetzt? Zu einem Zeitpunkt, wo die Einschränkungen aufgelöst werden. Die Wissenschaftlerin Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrates, zieht zur Erklärung den Vergleich mit einem Körper im Schockzustand heran, der zunächst unbeweglich ist, aber mit Lösung der Schockstarre immer differenzierter wahrnehmen kann, an welchen Stellen er verletzt ist.
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Jetzt werden die Verletzungen der letzten Wochen wahrgenommen und Fragen kommen auf. Berechtigte Fragen, auf die weder Politiker noch Wissenschaftler stringente Antworten haben. Die Unsicherheit darüber zeigt sich jetzt auf den Straßen. Auch wenn die Proteste benutzt und missbraucht werden von Verpeilten und Verfassungsfeinden, stecken dahinter bei den vielen ganz normalen Demonstranten Zweifel und Ängste, die gehört werden müssen und nicht überblendet werden dürfen von Provokateuren.