Deckmantel DemokratieWie Extremisten die Corona-Demos in NRW missbrauchen
- Am Wochenende wird im ganzen Land gegen Regierungsmaßnahmen protestiert. Instrumentalisieren demokratie-feindliche Gruppen die Kundgebungen?
- Demonstrationen gegen Corona-Auflagen nehmen zu. Gefährlich: Extremisten und Verschwörungstheoretiker versuchen, die aktuelle Stimmung für ihre Zwecke zu missbrauchen.
- Politik und Verfassungsschützer warnen, friedliche Bürger fühlen sich in die falsche Ecke gestellt.
Düsseldorf – In Stuttgart geht ein Virus um. Nur: Während das Gesundheitsamt 1419 Infektionen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt zählt, sind es für das Bündnis „Querdenken 711“ 20 000 Infizierte. Dort meint man allerdings nicht das Corona--Virus, sondern ein „Freiheits--Virus“. 20 000 – so viele demonstrierten nach Angaben der Organisatoren am vergangenen Samstag auf dem Cannstatter Wasen gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie (offiziell zugelassen waren nur 10 000 Teilnehmer). „Querdenken 711“ sieht die Freiheit grundlegend bedroht. An diesem Samstag wird auf dem Wasen mutmaßlich erneut die größte „Corona-Demo“ in Deutschland stattfinden. 500 000 Teilnehmer wünschten sich die Querdenker, 5000 sind nun zugelassen.
Sorgen in NRW wachsen
Doch nicht nur in Stuttgart, sondern im ganzen Land planen unterschiedliche Bündnisse und Initiativen Demonstrationen. Die Sicherheitsbehörden in NRW sehen aber nicht nur Menschen mit nachvollziehbaren Sorgen auf den Straßen, sondern auch Akteure aus rechts- und linksextremistischen Milieus sowie Verschwörungsmythiker, Esoteriker, Impfgegner, Fanatiker und Selbstdarsteller.Für Sonntag hat etwa in Mönchengladbach Dominik Roeseler eine Kundgebung auf dem Rheydter Marktplatz gegen den „Corona-Wahnsinn“ angekündigt. Roeseler zog für ProNRW in den Mönchengladbacher Rat ein, ist jetzt aber parteilos. Im NRW-Verfassungsschutzbericht wird er als „langjähriger Rechtsextremist“ bezeichnet. Er gilt als HoGeSa-Mitbegründer, war oft als Redner bei Pegida-Veranstaltungen dabei und steht dem rechtpopulistischen Verein „Mönchengladbach steht auf“ als Vorsitzender vor.
Den Staat provozieren
Dass Extremisten legitimen Protest unterwandern und für sich nutzen wollen, ist für die NRW-Sicherheitsbehörden eindeutig. Es gehe verstärkt um Provokationen, heißt es aus dem Innenministerium. Dabei gebe es nicht nur demonstrativen Protest gegen die Corona-Schutzverordnung, sondern auch Angriffe auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Rechtsstaatliches und demokratisch legitimiertes Handeln solle durch Populismus und oft aggressives Verhalten diskreditiert werden, hieß es.
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Die Behörden beobachten, dass sich unterschiedliche Gruppierungen bei den Protesten zusammenfinden. Beispiele für solche Gruppen sind „Corona-Rebellen“, „Bruderschaft Deutschland“, „Widerstand 2020“ und „Reichsbürger“. Die „Bruderschaft Deutschland“ ist eine hauptsächlich in Düsseldorf aktive rechtsextreme Gruppe. „Reichsbürger“ stellen zumeist die Existenz der Bundesrepublik infrage und weisen zudem oftmals eine rechtsextreme Ideologie auf. Und beim „Widerstand 2020“ handelt es sich um eine neu gegründete Partei mit Sitz in Lehrte mit starken Verbindungen zum Bündnis „Querdenken 711“ aus Stuttgart. Die Partei stellt nach eigenen Angaben die Freiheit über alles. Sie sieht durch die Corona-Maßnahmen weite Teile des Grundgesetzes ausgehebelt.
Vertrauen erschüttern
Das Ziel dieser Gruppen ist laut Innenministerium, das Vertrauen in Regierungen, Parlamente und Justiz zu erschüttern. „Unter Berufung auf ein vermeintliches Widerstandsrecht entsteht so eine Atmosphäre, die – teilweise verknüpft mit der Propagierung von Gewalt – die Gefahr einer Radikalisierung bis hin zur Ausübung von Gewalttaten in sich birgt“, hieß es. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass russische Medien versuchen, die deutsche Pandemie-Politik zu diskreditieren.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte im Innenausschuss, dass Rechts- und Linksextremisten versuchten, verunsicherte Bürger zu instrumentalisieren und in der Mitte der Gesellschaft Fuß zu fassen. „Das macht uns richtig Sorgen“, sagte Reul. Die Polizei bereitet sich auf Demos auch in Köln (Kasten), Dortmund, Essen, Düsseldorf und Aachen vor und rechnet mit einigen Dutzend oder hundert Teilnehmern.