Interview mit BDA-Chef Kramer„Wir können mit blauem Auge aus der Krise kommen“
- Die Coronakrise macht nicht nur gesundheitlich Sorgen, viele haben auch Angst um ihren Arbeitsplatz.
- Mit dem Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sprach Birgit Marschall.
Herr Kramer, Österreich lockert seine Ausgangsbeschränkungen schon ab 14. April. Kann das für uns ein Vorbild sein?Kramer: Ich kann verstehen, warum die Bundesregierung noch keinen Ausstiegszeitpunkt nennen will. Sie will über die Osterfeiertage sicherstellen, dass wir alle wirklich weiter zuhause bleiben und uns nicht auf der Autobahn im Stau treffen. Sonst würde mancher sagen, dann mache ich mich schon mal Ostern auf den Weg. Ich vermute, dass wir uns im Laufe des Monats Mai schrittweise wieder der Normalität nähern. Wir können bereits etwas Licht am Ende des Horizonts erkennen.
Die Geduld der Wirtschaftsvertreter mit den Maßnahmen ist erstaunlich groß. Wie viel Wohlstandsverlust sind Sie bereit hinzunehmen?
Kramer: Nach erst drei Wochen des Shutdowns zur Sicherung unserer Gesundheit ist es der falsche Zeitpunkt, um mögliche Wohlstandverluste ins Zentrum zu rücken. Im Moment müssen wir in die Qualität unseres Gesundheitssystems vertrauen und in die vielen Menschen, die sich sehr diszipliniert an die Vorschriften und Einschränkungen halten. Und wenn wir Glück haben, hatten wir am Ende nur verlängerte Osterferien. Natürlich merken wir Unternehmer jeden Tag bitter die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Krise. Aber auch wir haben Verwandte und Freunde, für die wir uns wünschen, dass sie gut durch diese gesundheitliche Ausnahmesituation durchkommen.
Die Bundesregierung hat ein beispielloses Hilfsprogramm aufgelegt. Rechnen Sie trotzdem mit einer Vielzahl von Unternehmenspleiten?
Kramer: Keiner weiß, wo wir Ende des Jahres stehen. Aber irreparable Schäden und mögliche Insolvenzen können wir nicht ausschließen und sollten uns so gut wie möglich auf deren Auswirkungen vorbereiten. Allerdings tun Bund und Länder wirklich Erhebliches, um die schlimmsten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen zu begrenzen. Dem riesigen Liquiditätsproblem der Unternehmen begegnen Bund und Länder gezielt mit ihren Maßnahmen, die erst einmal eine Zeit lang Luft verschaffen. Alles weitere hängt von der Dauer und der Wucht der Pandemie ab.
Wie bewerten Sie die aktuelle Politik der Bundesregierung?
Kramer: Jetzt, wo es vor allem darauf ankommt, schnell, ideologiefrei und richtig zu handeln, arbeitet die Regierung richtig gut. Auch mit den Sozialpartnern funktioniert deren Zusammenarbeit gut. Es konnte zum Beispiel innerhalb von nur einer Woche das KfW-Kreditprogramm für den Mittelstand so verbessert werden, dass der Korken jetzt aus der Flasche sein sollte. Der Staat übernimmt jetzt für Summen bis 800.000 Euro 100 Prozent der Haftung für KfW-Kredite, was die langwierigen Prüfungen der Hausbank erübrigt. In dieser Ausnahmesituation, in der wir uns alle befinden, tut der Staat so außergewöhnlich viel um die Wirtschaft flüssig zu halten, wie ich das in meinem gesamten Berufsleben noch nicht erlebt habe.
Für die Zeit nach der Krise hat die Regierung ein Konjunkturprogramm in Aussicht gestellt. Wie muss das gestrickt sein?
Kramer: Wir sind aus einer Phase der Hochkonjunktur in diesen Shutdown hineingekommen. Deswegen wird der Bedarf nach unseren Gütern und Dienstleistungen hinterher nicht bei Null beginnen. Im Gegenteil, es gibt dann noch einen zusätzlichen Nachholbedarf. Im Sommer, im Frühherbst wird die Nachfrage dem Sachverständigengutachten folgend wieder kräftig anspringen. Dann muss man genau prüfen, welche Branchen nicht in Gang kommen. Da müsste man gezielt mit einem maßgeschneiderten Konjunkturprogramm nachhelfen, zum Beispiel in der Tourismusbranche und bei der Gastronomie. Aber man sollte jetzt bloß nicht mit der Gießkanne das große Konjunkturprogramm für Jedermann entwerfen. Doch gezielte Maßnahmen für Staatshilfen einzelner zurückfallender Branchen werden sinnvoll sein. Das Gleiche gilt für Zukunftsprojekte, die unser Land voranbringen, wie Digitalisierung, Infrastruktur, den Klimawandel bremsende Energiekonzepte und Bildungsinvestitionen.
Ist es Zeit für Steuererhöhungen etwa für Vermögende, wie die SPD-Chefin gefordert hat?
Kramer: Wer jetzt Steuererhöhungen fordert, scheint mir nicht auf der Höhe der volkswirtschaftlichen Erkenntnis zu schwimmen. Aber ich muss auch sagen: Eine Chance für nennenswerte Steuerentlastungen über die Senkung der Unternehmenssteuer auf internationales Niveau und die Abschaffung des Solis hinaus sehe ich andererseits wegen der enormen Zusatzbelastungen des Staatshaushalts durch die Corona-Krise auch nicht. Die Steuern müssen wieder aus der hohen Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft kommen, wie in den letzten zehn Jahren.
Sie treffen sich kommende Woche mit dem Arbeitsminister, um über die Kurzarbeit zu sprechen. Soll das Kurzarbeitergeld angehoben werden?
Kramer: Je mehr wir von der Rücklage der Bundesagentur für Arbeit, die glücklicherweise gerade rund 26 Milliarden Euro beträgt, schneller auszahlen, desto schneller ist sie auch weg. Wir sind mit der bisherigen Höhe des Kurzarbeitergeldes in vergangenen Krisen gut gefahren. Deshalb würde ich das System nicht leichtfertig verändern.
Sind denn mehr Arbeitgeber bereit, das Kurzarbeitergeld weiter aufzustocken?
Kramer: Stellen Sie diese Frage mal Ihrem Lieblingsgastronomen aus dem Restaurant um die Ecke, der seit drei Wochen geschlossen hat. Wenn der nicht im Lotto gewonnen hat, wird er diese Frage nur mit Nein beantworten können. Es gibt Großunternehmen und Branchen, die das können, aber auch viele kleinere, die sich das nicht leisten können, weil ihnen das Wasser bis zum Hals steht. Das Ziel von Kurzarbeit ist die Arbeitsplatzsicherung. Und die sollte keinesfalls gefährdet werden.
Sollte an der 40-Prozent-Marke als Summe der Beitragssätze trotz der Krise festgehalten werden?
Kramer: Ja. Denn wenn Sie jetzt die krisengeplagten Unternehmen auch noch mit zusätzlichen Lohnnebenkosten belasten würden, wird es immer schwieriger, dieses Manöver zu einem guten Ende zu bringen. Das heißt, der Staat, die Sozialversicherungen müssen jetzt Prioritäten setzen, damit die kleiner werdende jüngere Generation nicht überfordert wird.
Worauf könnten wir künftig verzichten?
Kramer: Ein Belastungsmoratorium bleibt das Gebot der Stunde. Mit immer neuen Regulierungsvorschlägen aus der Vergangenheit, wie zum Beispiel bei Befristungen oder mobiler Arbeit, schafft die Politik noch mehr Bürokratie und belastet unsere Unternehmen zusätzlich. Kurzum: in der Phase des Wiederanlaufes des Wirtschaftsmotors nach dieser schwierigen Phase muss alles vermieden werden, was der Wirtschaft in ihrem Aufholprozess zusätzliche Schwierigkeiten bereitet.
Wie stehen die Arbeitgeber zu Eurobonds, gemeinschaftliche Euro-Anleihen?
Kramer: Ich bin sehr dafür, dass wir in Europa ein höheres Maß an Solidarität zeigen. Wir müssen mehr zusammenrücken und mehr zusammenhalten. Zumal für alle Europäer der Binnenmarkt der größte Handelsplatz ist. Das heißt natürlich, dass die, die weniger stark vom Corona-Virus betroffen sind, wie wir, mehr tun für die, die es stärker trifft wie beispielsweise Italien und Spanien. Aber wir sollten erst einmal die Instrumente einsetzen, die wir bereits zur Verfügung haben, die schnell einsetzbar sind, und das sind vor allem ESM-Hilfskredite und die Mittel der europäischen Investitionsbank.
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Gegebenenfalls müssen wir später nachfüttern. Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass auch Deutschland einen höheren Beitrag für Europa leisten wird. Dieser muss aber in Höhe und Laufzeit definiert sein und darf nicht in Form einer gemeinschaftlichen Haftung über das eigene bereitgestellte Finanzvolumen hinaus unbegrenzt zur Verfügung stehen. Sonst würden die Staaten den Überblick und die Handlungsfähigkeit für ihre eigenen Finanzen verlieren.
Was ist Ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr?
Kramer: Der Sachverständigenrat hat kürzlich drei Szenarien vorgestellt. Ein wahrscheinliches, ein mittleres und ein Worst-Case Szenario. Ich orientiere mich an den ersten beiden Szenarien. Demnach schrumpft die Wirtschaft dieses Jahr um 2,8 bis 5,4 Prozent. In beiden Fällen ist aber die vollständige Kompensation schon nächstes Jahr wahrscheinlich. Das heißt: Wenn wir die zwei Jahre 2020 und 2021 zusammennehmen, sind wir insgesamt bei plus minus Null. Danach wären wir wieder auf einem soliden Wachstumspfad. Ich halte es für möglich, dass wir aus dieser Krise mit einem blauen Auge herauskommen.