Nach vielen Jahren persönlicher Rückschläge in der Bundespolitik hat es Friedrich Merz doch noch geschafft: Mit 69 Jahren dürfte er die nächste Regierung bilden. Von einem glanzvollen Durchmarsch kann allerdings nicht die Rede sein.
Bundestagswahl 2025Friedrich Merz nimmt Kurs aufs Kanzleramt
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„Wieder nach vorne“: Friedrich Merz geht als strahlender Sieger hervor.
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An Friedrich Merz scheiden sich die Geister – nach diesem aufgewühlten Bundestagswahlkampf gilt das mehr denn je. Zu großer Beliebtheit im Wahlvolk hat es der CDU-Chef bislang nicht gebracht. Trotz großer Unzufriedenheit mit der Regierung schaffte es Oppositionsführer Merz nach Stand vom Sonntagabend nicht, seine Union bei der Wahl über die 30-Prozent-Hürde zu hieven. Und doch kann er sich berechtigte Hoffnung auf das Kanzleramt machen. Welche Erfahrungen, Überzeugungen, Prägungen würde der sauerländische Christdemokrat mitbringen ins mächtigste Amt des Landes?
Merz, der Kanzler im Wartestand
Auch wenn das Ergebnis für die Union hinter den unionsinternen Hoffnungen zurückblieb: Merz sieht sich als künftigen Kanzler, er dankte am Wahlabend „für den Regierungsauftrag, den die Union mit dem heutigen Tag bekommen hat“. Im Wahlkampf-Endspurt hatte Merz noch gegen „grüne und linken Spinner“ polemisiert – nun schlug er staatsmännische Töne an: „Wir haben einen sehr harten Wahlkampf geführt. Jetzt werden wir miteinander reden.“
Merz will der Kanzler sein, der das Land wieder fit macht. An zwei greifbaren Ergebnissen will sich der CDU-Chef als Bundeskanzler messen lassen: Die Konjunktur in Deutschland soll wieder anspringen, und es sollen spürbar weniger Migranten über die Grenzen ins Land kommen. „Ich weiß um die Dimension der Aufgaben, die vor uns liegen“, sagt Merz am Wahlabend. „Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird.“
Merz, der Risikospieler
Im Wahlkampf hat Merz mit hohem Risiko gespielt: Dass die Unionsfraktion bei einer Migrationsabstimmung im Bundestag gemeinsame Sache mit der AfD machte, empfanden viele als Tabubruch. Hunderttausende gingen aus Protest auf die Straße, auch gegen CDU und CSU. Mit seinem Vorgehen schien Merz jenen Kritikern Recht zu geben, die ihn als notorisch impulsiv und unkontrolliert porträtieren. Der Parteichef setzte seinen Kurs auch gegen Vorbehalte in den eigenen Reihen durch. Mit seiner harten Linie wollte er den Verlust von Wählern an die AfD begrenzen. Denn ohne Kurswechsel in der Migration, lautete seine Warnung, werde die AfD noch mehr erstarken.
Merz, der Mann der Wirtschaft
Die Wirtschaftspolitik ist das zweite große Wahlkampfthema von Merz. Deutschlands Wirtschaft soll endlich wieder wachsen. Für die Belange der Unternehmen zeigt Merz großes Verständnis. Er will Bürokratie abbauen und Unternehmen entlasten. Er glaubt an die Marktwirtschaft und den Freihandel. Anders als frühere Bundeskanzler bringt Merz zudem eigene Erfahrungen aus der internationalen Wirtschaft mit.
Sollte der CDU-Vorsitzende tatsächlich Regierungschef werden, wird er sich auch in einem anderen Punkt von allen seinen Vorgängern unterscheiden: Er ist reich. Nachdem er sich 2009 aus der Politik zurückzog, machte Merz in der Wirtschaft unter anderem als Aufsichtsratschef der deutschen Abteilung der internationalen Fondsgesellschaft Blackrock ein Vermögen. Sein Jahreseinkommen gab er 2018 mit etwa einer Million Euro an.
Merz, der Konservative
Für welches Gesellschaftsbild steht Friedrich Merz? Seine Anhänger sehen in ihm einen Bannerträger konservativer Werte, für seine Kritiker ist er schlichtweg aus der Zeit gefallen. Seiner CDU verpasste Merz ein neues Grundsatzprogramm mit einer deutlich konservativeren Handschrift als in der Merkel-Zeit. In den vergangenen Jahren polarisierte er immer wieder mit umstrittenen Sprüchen, die von Kritikern als abwertend gegenüber Frauen, Homosexuellen und Flüchtlingen empfunden wurden.
Merz glaubt, dass sich viele Menschen in einer Zeit risikobehafteter Umbrüche nach einem soliden bürgerlichen Konservativismus sehnen. Dabei scheut er auch vor kollektivem Tadel nicht zurück – etwa, wenn er regelmäßig die angebliche Einstellung vieler Deutscher zur Arbeit beklagt: Die Menschen müssten wieder mehr arbeiten und dürften dann auch stolz auf ihren wirtschaftlichen Erfolg sein, sagt er.
Merz, der Stehauf-Mann
An Merz Risikobereitschaft, seinem rhetorischen Talent und seinem Ehrgeiz zweifelt niemand, und doch hat er im Laufe der Jahre CDU-intern auch viele Niederlagen wegstecken müssen. Dass Merz nun realistische Aussichten aufs Kanzleramt hat, ist das Ergebnis einer unerwarteten politischen Wiederauferstehung. 2002 verdrängt CDU-Chefin Angela Merkel den aufstrebenden Politiker vom einflussreichen Fraktionsvorsitz. Merz hat ihr seine Entmachtung nie verziehen, 2009 kehrt er der Politik für viele Jahre den Rücken. Erst 2022, nach dem Ende der Ära Merkel, gelingt Merz der Sprung an die CDU-Spitze – im dritten Anlauf. Mit seinem Wahlergebnis vom Sonntag bleibt er freilich hinter den Ergebnissen zurück, die seine Rivalin Merkel für die Union einfuhr.