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Arndt Klocke im Interview„Wir müssen als Grüne Debatten auch mal aushalten“

Lesezeit 3 Minuten
arndt klocke grünenfraktion

Arndt Klocke: „Ich bin überzeugt, dass wir den großen Erwartungen nur gerecht werden können, wenn wir weiterhin Kontroversen wagen.“

  1. Der langjährige Grünen-Partei- und Fraktionsvorsitzende Arndt Klocke (51) traut dem Höhenrausch seiner Partei nicht recht.
  2. Warum, erläutert er im Interview mit Tobias Blasius.

KölnDie Grünen sind im Umfragehoch und sitzen in NRW nach einem Rekordergebnis mit in der Regierung, Sie persönlich haben in Köln ihren Wahlkreis sensationell mit fast 42 Prozent geholt. Warum bereitet Ihnen der Zustand Ihrer Partei dennoch Sorgen?

Ich mache mir keine Sorgen, sondern Gedanken. Wenn man wie ich über eine Strecke von 15 Jahren in der grünen Landespolitik dabei ist, hat man Höhen und Tiefen im Wechsel erlebt. Eine gewisse Euphorie ist völlig normal, wenn man sein Landtagswahlergebnis so deutlich steigern konnte und dann zeitnah einen vernünftigen Koalitionsvertrag für das erste schwarz-grüne Bündnis in NRW ausgehandelt hat. Aber wir dürfen uns jetzt nicht zurücklehnen, sondern brauchen Weiterentwicklung, damit uns die Menschen auch in fünf Jahren wieder ihr Vertrauen schenken.

Arndt Klocke

Arndt Klocke

Was fehlt Ihnen zurzeit bei den NRW-Grünen?

Mit Blick nach vorn: Eine Partei, die wie die Grünen auf beschleunigte Veränderungen setzt, braucht immer inspirierende Diskussionen und innere Reibung. Damit sind ausdrücklich keine zersetzenden Strömungsdebatten und internen Grabenkämpfe gemeint. Aber das kontinuierliche parteiinterne Ringen um gute Lösungen war immer eine wichtige Voraussetzung für grünen Fortschritt.

Woran machen Sie die fehlende Debattenkultur fest?

Mich hat zum Beispiel gewundert, dass bei uns nicht noch breiter und kontroverser darüber diskutiert worden ist, dass der Natur- und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen künftig von der CDU verantwortet wird. Das sind grüne Kernressorts, die Bärbel Höhn einmal zum Markenzeichen unserer Partei gemacht hat. Befremdlich autoritär fand ich beim Landesparteitag in Bielefeld Auftritte von langjährigen Führungskräften wie Reiner Priggen, die den Delegierten, die nicht von der schwarz-grünen Koalition überzeugt waren, unverhohlen die Nicht-Teilnahme an der Abstimmung und das Verlassen des Saales empfahlen. Für so etwas wäre man bei uns, einer basisdemokratisch gewachsenen Partei, vor einigen Jahren noch von der Bühne gepfiffen worden.

Bei der Wählerschaft kommt der geschlossene und smarte Auftritt augenscheinlich gut an …

Im Ende geht es immer um das Vertrauen in unsere Konzepte, nicht um Inszenierung. Es darf nicht zum alleinigen Kennzeichen grüner Politik in NRW werden, dass wir vor allem auf Fotos schick aussehen und in sozialen Netzwerken gut rüberkommen wollen. Der Hang, dass alles harmonisch, sympathisch und in smarter Pose verkauft werden soll, nimmt nach meinem Eindruck stark zu. Kernelement von Reformpolitik müssen aber der Meinungsstreit und die Problemlösung bleiben, gerade in der krisenhaften Zuspitzung, die wir aktuell erleben.

Um welche Themen wollen Sie ringen?

Die Erwartungen in Richtung Grün, Antworten auf die Energie-, Gesundheits- und die sich rasant zuspitzende Klimakrise mit all ihren sozialen Verwerfungen zu geben, sind mittlerweile riesig. Arbeiten, Wohnen, Verkehr, Einkaufen – alles verändert sich in rasender Geschwindigkeit und die Leute sagen mir im Wahlkreis: „Jetzt macht mal, Grüne!“ Unsere Botschaft muss sein: Es wird nur gelingen, wenn die Bürgerinnen und Bürger aktiv mitmachen. Ich bin davon überzeugt, dass wir den großen Erwartungen nur gerecht werden können, wenn wir weiterhin Kontroversen wagen, wenn wir Debatten aushalten und nicht den naheliegendsten Kompromiss sofort mitdenken. Geschlossenheit nach außen ist wichtig, aber genauso zählen in der Partei Debatten um den richtigen Weg.

Sehen Sie bei den Grünen das Potenzial zur Volkspartei?

Der Begriff „Volkspartei“ ist ein Auslaufmodell. Das Ziel muss es aus meiner Sicht sein, uns thematisch so breit aufzustellen, dass wir den nächsten Kanzler oder Kanzlerin und den kommenden NRW-Regierungschef oder -chefin stellen können.

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Es wird verdammt anstrengend, eine Balance hinzubekommen zwischen einer verständlicherweise immer ungeduldigeren ökologischen Basisbewegung und dem Pragmatismus als Regierungspartei. Dafür brauchen wir eine Dialogfähigkeit nach allen Seiten und müssen auch alle Generationen einbinden. Wir NRW-Grüne haben deutliche Defizite bei der Generation 60 plus. Im Landtag sitzt heute bei 39 grünen MdLs nur eine Person jenseits der 60.