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Rundschau-DebatteNeues Schuljahr, alte Probleme in NRW?

Lesezeit 4 Minuten
Schülerinnen und Schüler einer Grundschule sitzen mit Abstand in ihrem Klassenraum.

Grundschulkinder sollen ab dem zweiten Schulhalbjahr mehr Deutsch- und Mathematikunterricht erhalten.

NRW-Schulministerin Feller (CDU) will sich in Zukunft besonders auf die Förderung von Grundschulkindern konzentrieren. Die Lehrerverbände begrüßen das, weisen aber auf die vielen weiterhin unbesetzten Stellen hin.

Grundschulkinder sollen ab dem zweiten Schulhalbjahr mehr Deutsch- und Mathematikunterricht erhalten. „Das Ziel ist jeweils eine Stunde mehr in jeder Jahrgangsstufe“, sagte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) am Donnerstag. Dann sollen in allen NRW-Grundschulen in den Klassen eins bis vier fast durchgehend sechs Stunden Deutsch und fünf bis sechs Stunden Mathematik pro Woche unterrichtet werden. Das Ministerium greift dabei auf einen Trick zurück: So genannte „variable Förderstunden“ werden den Fächern fest zugeordnet. Die Schulen können also diese Förderstunden nicht mehr frei nutzen, sondern nur für Mathe und Deutsch.

NRW bereitet außerdem ein „Screening“ im Rahmen der Grundschulanmeldung vor, um herauszufinden, welche Kinder im Kita-Alter Sprachprobleme und andere Defizite haben. Zur Grundschulanmeldung 2025 sollen alle rund 2800 Grundschulen über ein digitales Screening-Werkzeug verfügen. Schon in diesem Jahr bekommen die Grundschulen in einem ersten Schritt ein analoges Testverfahren.

Grundschulen in NRW: Neue Tests zur Sprachkompetenz

Zur Wahrheit gehört, dass die Kinder heute mit großen unterschiedlichen Sprachkenntnissen eingeschult werden“, sagte Feller. „Wenn aber ein nennenswerter Teil der neu eingeschulten Kinder nicht gut genug Deutsch spricht und versteht, um im Unterricht mitarbeiten zu können, dann können unsere Lehrkräfte das alleine auf Dauer nicht auffangen.“

Künftig würden alle Kinder nach den gleichen Maßstäben getestet. „Es bedeutet eine Entlastung für die Lehrkräfte, die keine eigenen Tests mehr erarbeiten müssen.“ Das heiße allerdings nicht, dass die Kinder, die es benötigen, bald schon verbindlich sprachlich gefördert werden, wie es zum Beispiel in Hamburg vor der Einschulung der Fall ist. „Dafür fehlen noch die rechtlichen Grundlagen in NRW“, so Feller.

Nach dem Test erhalten die Eltern die Ergebnisse mit der Aufforderung, die Zeit bis zum Schulbeginn zu nutzen, um Förderlücken zu schließen. Beim Rechnen sei das leichter als etwa sprachlich binnen eines halben Jahres auf Stand zu kommen, räumte Feller ein. Die Eltern sollten Hinweise auf Übungsmaterial und Unterstützungsmöglichkeiten erhalten. Sie könnten sich auch mit den Kitas besprechen. Manche Schulen hätten bereits Absprachen mit Kitas ihrer Umgebung für vorschulisches Lernen. Feller appellierte an die Eltern: „Nehmen Sie alle Förderangebote wahr.“

Was sonst noch neu ist

Grundschul-Lehrkräfte sollen im neuen Schuljahr von „überbordenden Dokumentationspflichten“ entlastet werden. Ab sofort müssen die Grundschulen keine Arbeitspläne mehr erstellen, sondern lediglich schuleigene Unterrichtsvorgaben. „Die Arbeitspläne in ihrer bisherigen Form bedeuten einen enormen Arbeitsaufwand für die Lehrerinnen und Lehrer, und das Verhältnis von Aufwand und Nutzen war manchmal zweifelhaft“, sagte die Ministerin.

Zum neuen Schuljahr beginnt außerdem das bundesweite „Startchancen“-Programm. In NRW wurden zunächst 400 Schulen für eine Förderung ausgewählt. Insgesamt sollen hier 920 Schulen „in schwierigen sozialen Lagen“ gezielt unterstützt werden. Dafür stellt der Bund in zehn Jahren rund 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Land will ebenso investieren.

NRW: Weiter Ärger um Abordnungen von Lehrkräften

Der Streit um die zwangsweise Abordnung von Lehrkräften vor allem an Schulen im Ruhrgebiet geht weiter. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW forderte Feller auf, auf Abordnungen möglichst zu verzichten. „Lehrkräfte sollen sich nach dem Prinzip des Barons von Münchhausen selbst am eigenen Schopf aus dem Sumpf des Lehrkräftemangels ziehen.

Mit Abordnungen sollen Lücken in besonders betroffenen Regionen geschlossen werden, wohl wissend, dass dadurch Unruhe und Lücken in anderen Regionen geschaffen werden“, sagte VBE-Landeschef Stefan Behlau. Die Personalgewinnung müsse nach wie vor „oberste Priorität“ haben, bevor auf dieses Mittel zurückgegriffen werde, forderte er. Zudem sei es wichtig, bei der Entscheidung über Abordnungen transparent und nachvollziehbar mit den Beteiligten zu kommunizieren und einheitliche Verfahrensweisen anzuwenden.

Der Verband Lehrer NRW betonte, größte Herausforderung für die Schulen sei angesichts von mehr als 6000 unbesetzten Stellen weiterhin der Lehrkräftemangel. Eine stabile Unterrichtsversorgung bleibe an vielen Schulen „ein Drahtseilakt“, sagte der Vorsitzende Sven Christoffer. Feller habe zwar mehr Menschen ins Schulsystem gebracht, darunter viele Sozialpädagoginnen und Alltagshelfer. Dieses zusätzliche pädagogische Personal sei „wichtig und willkommen“, ersetze allerdings keine Lehrerinnen und Lehrer. Abordnungen seien eine Notlösung und könnten kein langfristiges Instrument sein, mahnte Christoffer: „Der Lehrkräftemangel lässt sich nicht mit der Brechstange bekämpfen.“

Das Verwaltungsgericht Münster hatte die umstrittene Abordnungspraxis in der vergangenen Woche in zwei Fällen mit der Begründung gestoppt, die Auswahlkriterien seien nicht sachgerecht gewesen. Ministerin Feller gab sich am Donnerstag gelassen: „Das Gericht hat nicht die Maßnahme Abordnung in Zweifel gezogen. Im Gegenteil. Es ist aber zu einem Anwendungsfehler gekommen.“ Die Bezirksregierung Münster werde aus diesem Fehler lernen. Vielleicht sei die Kommunikation mit den betroffenen Lehrkräften einfach nicht gut gelaufen. Furcht vor weiteren Klagen hat Feller nach eigener Aussage nicht. „Jeder Beamte hat das gute Recht, gegen Abordnungen zu klagen.“ (mk /epd/dpa)

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