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Nach GerichtsurteilMusikschullehrer in Wipperfürth fordern Festanstellung

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Das Foto zeigt die Hand einer Musikschülerin, die von einer Musiklehrerin beim Geigespiel korrigiert wird.

Die Hand einer Musikschülerin wird von einer Musiklehrerin beim Geigespiel korrigiert.

Die meisten Musikschulen arbeiten mit Honorarkräften. Ein Gerichtsurteil setzt dem nun enge Grenzen. Wipperfürther Musikschullehrer fordern eine Festanstellung.

Lohnfortzahlung bei Krankheit, Mutterschutz, Urlaubs- und Weihnachtsgeld und ein Arbeitgeber, der sich an Kosten für Krankenkasse, Renten- und Arbeitslosenversicherung beteiligt. Für Millionen von Angestellten ist das selbstverständlich. Nicht aber für die meisten Lehrkräfte an Musikschulen. Denn sie arbeiten freiberuflich als Honorarkräfte für den Träger der Schule. Das kann eine Kommune sein, wie in Wipperfürth oder Bergneustadt, oder ein Verein, wie etwa in Gummersbach, Engelskirchen, Wiehl oder Waldbröl.

Doch das könnte sich schon bald ändern. Denn das Bundessozialgericht hatte 2022 das sogenannte „Herrenberg-Urteil“ gefällt, das der Beschäftigung von Honorarkräften enge Grenzen setzt (siehe Kasten), weil Musikschullehrer in der Regel weisungsgebunden arbeiten und in den Betrieb der Schule eingebunden sind. Als Konsequenz daraus hat eine ganze Reihe von Musikschulen bereits umgestellt und die bisherigen Honorarkräfte nun fest angestellt. Das gilt für Köln, Bergisch Gladbach und Remscheid, aber auch einige kleinere Städte der Region.

Gummersbach hat schon umgestellt

In Oberberg hat die städtische Musikschule Gummersbach bereits auf das Urteil reagiert, wie Bürgermeister Frank Helmenstein auf Nachfrage dieser Zeitung sagte. Knapp 600 Schüler hat die Musikschule, die als Verein geführt wird. Die Dozenten seien auf Mini-, Midi- oder Vollzeit-Jobs umgestellt worden. „Und dabei wurde die Sozialversicherungspflicht mit Jahresbeginn umgesetzt.“ Für die daraus resultierenden Mehrbelastungen kommen die Stadt und die Sparkasse Gummersbach bzw. die Sparkassen- und Bürgerstiftung auf. Sie teilen sich den Betrag, den Helmenstein nicht näher beziffert, für die Zeit von erst einmal drei Jahren.

Gummersbach ist offenbar allein auf weiter Flur im Kreis, obwohl die Rechtssituation nach Auffassung der Fachleute ziemlich eindeutig ist. „Eine Beschäftigung von Lehrkräften an Musikschulen als Honorarkräfte ist in der Regel nicht mehr möglich“, sagt etwa der Verband der Musikschulen (VdM).

Eine Beschäftigung von Lehrkräften an Musikschulen als Honorarkräfte ist in der Regel nicht mehr möglich
Bundesverband der Musikschulen

Der Bundesverband der Freien Musikschulen (bdfm) kommt zu einem differenzierten Urteil. Wer eine Musikschule mit einem „gewissen Qualitätsmanagement und einer guten Ausstattung führen möchte, sollte sich für eine Festanstellung der Dozenten entscheiden“, so der bfdm-Vorstandsvorsitzende Mario Müller. Gleichwohl fordert der bdfm, beide Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Dozenten zu ermöglichen, entweder als Angestellte oder als Honorarkräfte.

An der Musikschule Wipperfürth machen die Lehrkräfte ordentlich Druck. Sie werfen der Stadtverwaltung vor, eine bereits zugesagte Umstellung immer weiter hinauszuzögern und auf Zeit zu spielen. Kurz vor Weihnachten verteilten sie Handzettel an ihre Schüler mit der Aufschrift „Keine fröhlichen Weihnachten für Deine Musikschullehrer-Innen.“

Musikschullehrer haben Gewerkschaftsgruppe gegründet

Oscar Kliewe (Trompete), Gerhard Haugg (Klavier) und Detlev Hoffmann (Klarinette und Leiter des Jugendblasorchesters der Musikschule Wipperfürth) unterrichten schon seit Jahren in der Hansestadt. Um ihre Interessen gemeinsam durchzusetzen, haben sie eine gewerkschaftliche „Verdi-Gruppe“ der Wipperfürther Musikschuldozenten gegründet. „Wir haben zu zweit angefangen, jetzt sind wir schon zu zehnt, Tendenz steigend“, freut sich Kliewe.

34 Lehrkräfte sind in Wipperfürth beschäftigt, 32 würden eine Festanstellung fordern, so das Trio im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Verhandlungen mit der Stadt Wipperfürth laufen schon seit einiger Zeit. „Bis vor kurzem hat man uns signalisiert, dass man uns fest anstellen wird“, berichten die Dozenten. Doch dann, kurz vor Weihnachten, sei plötzlich ein Rückzieher erfolgt.

Die Stadt Wipperfürth sieht noch Klärungsbedarf

„Die Hansestadt Wipperfürth“, heißt es dazu offiziell aus dem Rathaus, „hat in den letzten Monaten umfangreiche Prüfaufträge in Bezug auf die Rechtsfolgen und auch die Umsetzbarkeit des Herrenberg-Urteils in Auftrag gegeben. Aufgrund der besonderen Schwierigkeit der Thematik und Rücksprache mit verschiedenen Organisationen sind diese Prüfaufträge noch nicht abschließend beantwortet, sodass weiterer Klärungsbedarf besteht.“

Die Lehrer wollen sich nicht länger hinhalten lassen, zumal der Stadtrat im Haushalt 2025 bereits zusätzlich rund 400.000 Euro für die Umwandlung in feste Stellen bereitgestellt hat. Kliewe hat bei der Rentenversicherungsanstalt für sich ein „Statusfeststellungsverfahren“ eingeleitet. Was bedeutet, dass nun geprüft wird, ob er freiberuflich oder als abhängig Beschäftigter arbeitet. Für den letzteren Fall muss die Stadt Wipperfürth möglicherweise bis zu vier Jahre rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Was Kliewe besonders empört: Die Stadtverwaltung habe bereits geprüft, ob eine solche Lösung billiger sei als eine Festanstellung. „Das ist einfach nur zynisch.“

Thomas Fahlenbock, der zusammen mit seinem Bruder Rolf die Musikschule Wipperfürth leitet, sieht dringenden Handlungsbedarf, nicht nur in Wipperfürth. An einer flächendeckenden Umsetzung des Herrenberg-Urteils führe kein Weg vorbei. „Das Ganze ist eine tickende Bombe“, so der Leiter. Umso länger eine Entscheidung verzögert werde, desto größer sei die Gefahr, dass man damit eine über Jahrzehnte aufgebaute hohe Qualität zerstöre, warnt Thomas Fahlenbock. „Ein Angebot mit Ensembles und den Bläserklassen an den Schulen ist mit Honorarkräften künftig nicht mehr möglich.“


Ein Urteil mit Folgen

Das Bundessozialgericht hat im Juni 2022 nach der Klage einer Musikschullehrerin der Stadt Herrenberg entschieden, dass Musikschullehrer, die auf Honorarbasis angestellt sind und in organisatorische und administrative Abläufe ihrer Schule eingebunden sind, Scheinselbstständige sind. Das ist nicht erlaubt.

Wird eine Scheinselbstständigkeit nachgewiesen, müssen sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer mit Konsequenzen rechnen. Viele Musikschulen stellen ihre Lehrkräfte deshalb nun fest an, andere zögern noch, weil die Festanstellung zu höheren Kosten führt. Eine mögliche Folge des Urteils: Musikschulunterricht könnte künftig teurer werden.