Bei „Markus Lanz“ liefert sich „Manifest“-Unterstützer Johannes Varwick eine leidenschaftliche Diskussion mit CDU-Politiker Roderich Kiesewetter. Auch der Moderator mischt mit.
Debatte um VerhandlungenLanz attackiert Varwick: „Es geht Ihnen überhaupt nicht um die Ukraine“
Politikwissenschaftler Johannes Varwick hat in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ seine anfängliche Unterstützung für das „Manifest für Frieden“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer bekräftigt, aber auch erklärt, warum er seine Unterschrift schließlich zurückgezogen hat.
Die Forderungen im „Manifest“ seien in seinen Augen grundsätzlich richtig, erklärte Varwick, warf den Initiatorinnen jedoch eine zu geringe Abgrenzung zur politischen Rechten im Vorfeld der Kundgebung in Berlin vor. Deshalb habe er seine Unterschrift schließlich zurückgezogen. Über die Beteiligung von Wagenknecht sei er von Schwarzer zudem erst einen Tag vor der Veröffentlichung informiert worden, führte der Politikwissenschaftler aus.
Ukraine-Talk bei Markus Lanz: „Die Russen verwenden ihre Soldaten als Kanonenfutter“
In der ZDF-Talkrunde waren neben Varwick auch der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter, die „Zeit Online“-Journalistin Rieke Havertz und die Nahost-Expertin Kristin Helberg zu Gast. Inhaltlich beschäftigte sich die Runde überwiegend mit Russlands Krieg gegen die Ukraine und der Frage, welche Auswege aus dem Krieg sich bieten könnten. Helberg richtete unterdessen verstärkt den Blick auf Syrien und zeigte Parallelen auf, die sie im Handeln Russlands, das auch in Syrien militärisch eingegriffen hatte, festgestellt hat.
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Vor allem zwischen Kiesewetter und Varwick entwickelte sich eine mitunter leidenschaftlich geführte Diskussion um die Forderung einer Verhandlungslösung und die Einstellung von Waffenlieferungen an Kiew. Für die Ukraine gebe es lediglich zwei Szenarien, erklärte Varwick: Entweder komme es zu einem langen und verlustreichen „Abnutzungskrieg“ oder es drohe die Eskalation.
Deshalb setze er auf ein „Einfrieren“ des Konflikts, führte Varwick aus. Eine Möglichkeit für Kiew, sich militärisch durchzusetzen, sieht der Politikwissenschaftler nicht. „Die Ukraine verheizt Menschen“ im Kampf um Bachmut, so Varwick, das sei ein „völlig sinnloses“ Gefecht mit tausenden Toten am Tag.
Johannes Varwick und Roderich Kiesewetter in leidenschaftlicher Diskussion bei Markus Lanz
Kiesewetter sah das gänzlich anders. „Die Russen verwenden – ein furchtbarer Begriff – ihre Soldaten als ‚Kanonenfutter‘“, erklärte der CDU-Politiker. Der Kampf um Bachmut sei militärisch zudem aus ukrainischer Sicht völlig nachvollziehbar. „Wenn das fällt, haben die Russen freie Bahn und brechen 80 Kilometer durch“, sagte Kiesewetter und warf Varwick vor: „Sie verkennen die Lage vor Ort“. Der CDU-Politiker zeigte sich zudem offen für die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine und hält auch Angriffe auf russisches Gebiet für legitim.
Die ukrainische Selbstbestimmung und Perspektive geriet im Laufe der Diskussion mehrmals aus dem Fokus. Vor allem bei Varwick spielten die Wünsche Kiews nur eine untergeordnete Rolle. „Das bereitet mir Unbehagen, wenn das unter den Tisch fällt“, warf die Journalistin Havertz deshalb ein. Schlussendlich müsse die Ukraine selbst entscheiden, wofür es sich zu kämpfen lohnt – und wie viele Menschenleben man dafür bereit ist einzusetzen.
Debatte um „Manifest“ und Kundgebung: „Bereitet mir Unbehagen, wenn das unter den Tisch fällt“
Die USA-Korrespondentin erklärte zudem, in den USA werde eine vergleichbare Debatte um Waffenlieferung nicht geführt. Joe Biden liege die Ukraine ernsthaft am Herzen, so Havertz. „Er wird das so lange wie möglich durchsetzen.“
Diese Aussicht bereitete dann allerdings Varwick wieder Sorgen – der Politikwissenschaftler fühlte sich bestätigt in seiner Sorge vor einer „Eskalation der Waffenlieferungen“. Da mischte sich auch Nahost-Expertin Helberg ein. „Wir müssen den Preis für Putin erhöhen“, erklärte sie und suchte die Auseinandersetzung darüber, wie man kluge Verhandlungen überhaupt führt.
Markus Lanz kritisiert Johannes Varwick: „Es geht ihnen überhaupt nicht um die Ukraine“
Moderator Lanz kritisierte zunächst die „Friedensdemo“ in Berlin und die Unterstützung Varwicks für das Manifest. „Jetzt weiß ich auch, warum auf der Demo nicht eine ukrainische Flagge zu sehen war. Es geht ihnen überhaupt nicht um die Ukraine. Sie reden nur darüber, was wir tun müssen, damit uns nichts passiert.“
Es sei ein „russisches Narrativ“, dass die Nato an allem Schuld sei, entgegnete Lanz zudem als Varwick Verständnis dafür äußerte, dass Russland keine Nato-Truppen an der eigenen Grenze stehen haben wolle. Das sei ein „legitimes russisches Sicherheitsinteresse“. Kiesewetter hält eine „Neutralität der Ukraine“ derweil für nicht vermittelbar, nach allem, was die Ukraine nun bereits investiert habe. Lanz wies schließlich vehement daraufhin, dass es Putin gar nicht um die Nato, sondern um die Auslöschung der Ukraine gehe.
Johannes Varwick fürchtet Eskalation: „Wir müssen alles dafür tun, das zu verhindern“
Varwick zeigte sich davon allerdings nicht überzeugt – räumte jedoch ein: „Wenn es so wäre, müssten wir am Ende im Krieg mit Russland landen“, denn dann wäre „Putin gleich Hitler“ und ein Krieg unausweichlich. „Ausschließen“ wolle er dieses Szenario nicht, erklärte Varwick. „Aber wir müssen alles dafür tun, das zu verhindern.“
Erneut zeigte sich, dass Varwick in seiner grundsätzlichen Betrachtung des Krieges nur zwei Optionen sieht. Dass die Ukraine zunächst weitere militärische Erfolge erlangen und so die Verhandlungsposition verbessern könnte, sieht der Politikwissenschaftler nicht – ungeachtet der bisherigen großen Erfolge in der Abwehr der russischen Invasion, die nur durch westliche Waffenlieferungen möglich geworden ist.
„Die nukleare Drohung ist eine Chimäre“, entgegnete Kiesewetter deshalb Varwicks Eskalationssorgen. „Nuklear können wir abhaken“, zeigte sich der CDU-Politiker überzeugt und forderte: „Russland muss verlieren lernen“. Den Krieg nun „einzufrieren“ und die Ukraine zur Neutralität drängen, habe ja bereits nach der Annexion der Krim nicht geklappt, so Kiesewetter.
Auch Nahost-Expertin Helberg erklärte, dass Varwicks Vorschlag Putin nur bestärken würde, sich „immer mehr“ zu holen. So würde eine Botschaft gesendet, die einer „Ermutigung zum Angriffskrieg“ gleichkäme.