Harte Vorwürfe bei „Maybrit Illner“Expertin geht Sahra Wagenknecht an – „Habe ein anderes Verhältnis zu Fakten als Sie“

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Sahra Wagenknecht musste am Donnerstagabend bei „Maybrit Illner“ heftige Kritik einstecken. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)

Sahra Wagenknecht musste am Donnerstagabend bei „Maybrit Illner“ heftige Kritik einstecken.

Ist die NATO stark genug gegen Putin? Bei „Maybrit Illner“ wurde darüber kontrovers diskutiert. Sahra Wagenknecht steht mit ihrer Meinung alleine da.

Gegen Ende der Sendung fasst der langjährige ZDF-Moderator Claus Kleber zusammen, was den ganzen Abend über mehr als deutlich wurde. „Wir einigen uns darauf, dass an diesem Tisch Uneinigkeit herrscht, so wie sie auch in der Bevölkerung herrscht“, sagt er.

Uneinig ist sich der Rest der Runde - bestehend aus dem Moderator selbst, Omid Nouripour, dem Parteivorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, der Sicherheits- und Verteidigungsexpertin Claudia Major und dem Generalleutnant a.D. Ben Hodges - mit Sahra Wagenknecht, der Parteivorsitzenden des BSW.

„Maybrit Illner“: Harte Vorwürfe im ZDF-Talk

Kleber wirft Wagenknecht vor, dass das Narrativ, dass mehr Waffen automatisch eine höhere Kriegsgefahr bedeuten würden, sich „leicht an Stammtischen“ verbreiten lasse. „Jeder ist für Frieden und keiner für Krieg.“ Denn genau dieses Narrativ wiederholt die BSW-Parteivorsitzende immer und immer wieder. Genauso wie die Behauptung, dass Russland immer wieder „Signale sendet“, um im Krieg gegen die Ukraine verhandeln zu wollen - und auch, dass dieser erst im Februar 2022 und nicht 2014 mit der Annexion der Krim begonnen habe.

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Wagenknecht sagt, sie wolle sich lieber um die „maroden Schulen“ in Deutschland kümmern, als noch mehr Geld für Rüstung auszugeben. Denn, so ihre Meinung, „auf militärischem Weg wird dieser Krieg nicht enden, es müssen Verhandlungen stattfinden“. Man dürfe die Verteidigung nicht gegen den Sozialstaat stellen, meint Omid Nouripour. „Es geht nicht darum, das eine zu tun und das andere zu lassen.“

Als Wagenknecht mit angeblichen Ausgaben für die Rüstung in Deutschland um sich wirft, hakt die Sicherheits- und Verteidigungsexpertin Claudia Major ein - und stellt diese richtig. „Ich glaube, dass ich ein anderes Verhältnis zu Fakten habe als Sie.“ Denn, so Major, bei den von Wagenknecht genannten Zahlen handle es sich nicht um Rüstungsausgaben, sondern um den gesamten Verteidigungshaushalt - ein enormer Unterschied.

Journalist Claus Kleber warf Sahra Wagenknecht vor, „Stammtisch“-Narrative zu verbreiten. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)

Journalist Claus Kleber warf Sahra Wagenknecht vor, „Stammtisch“-Narrative zu verbreiten.

Als Wagenknecht merkt, dass sie mit dieser Argumentation nicht weiterkommt, schwenkt sie um. „Es gibt viele zivile Opfer durch heruntergefallene Raketenteile, weil die Ukraine selbst Raketen abschießt“, behauptet sie. „Im Krieg wird auf allen Seiten gelogen.“

Das ruft Omid Nouripour auf den Plan, der nun lautstark fordert: „Fahren Sie doch mal hin und reden Sie mit den Leuten. Schauen Sie denen ins Gesicht und sagen Sie: 'Ich weiß ja nicht, ob das stimmt, dass hier Kriegsverbrechen begangen wurden.'“ Und weiter: „Sie relativieren.“

Doch die einstige Linken-Politikerin geht nicht auf den Vorwurf Nouripours ein, noch nie selbst in der Ukraine vor Ort gewesen zu sein. Stattdessen sagt sie: „Putins Maximalforderung ist es nicht, die gesamte Ukraine zu annektieren.“ Natürlich sei das kein einfacher Weg, aber Verhandlungsversuche gebe es keine, das beteuert sie weiter und lässt die von Nouripour genannten rund 200 Stück völlig außer Acht. „Ihre Logik ist, dass es Großmächte gibt und kleine - und, dass die Großen entscheiden. Das ist genau der Imperialismus, den Sie immer den USA vorwerfen“, meint der Grünen-Chef abschließend.

Und auch die Sicherheits- und Verteidigungsexpertin Claudia Major teilt ordentlich gegen Wagenknecht aus: „Sie vergiften die öffentliche Debatte, wenn Sie Zahlen und Erzählungen, die nur auf russischer Propaganda beruhen, teilen. Sie delegitimieren die Ukraine. Fakten sind so wichtig. Wenn Sie die Fakten immer wieder infrage stellen, dann wird die Debatte vergiftet.“

Apropos Debatte: Eigentlich sollte es in der Sendung um die NATO gehen. Da ist man sich einig (minus Wagenknecht), dass eine deutsche Führung im Hinblick auf die US-Wahlen nun mehr als angebracht wäre, um zu zeigen, dass man auch ohne die USA in der Lage wäre, sich selbst zu verteidigen. „Niemand anderes kann diese Länder so einigen“, sagt der Generalleutnant a.D. Ben Hodges.

„Es geht nicht darum, dass Deutschland sagt: 'Wir zeigen euch, wie es geht', sondern darum, die Länder zusammenzubringen“, meint Nouripour. Und Major glaubt, dass es den militärischen Krieg wahrscheinlich brauche, um Europa, die EU und die NATO zu schützen: „Die Frage ist, wie viel ist es uns wert, die Freiheit, die Sicherheit und den Wohlstand zu sichern?“ (tsch)