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Vor 250 Jahren in Bonn geborenWarum Ludwig van Beethoven uns bis heute berührt

Lesezeit 4 Minuten
Beethoven denkmal

Eine Statue des Komponisten Ludwig van Beethoven steht in Bonn. Das Denkmal wurde von Ernst Hähnel entworfen.

Bonn – Das Publikum geriet völlig außer sich, als am 7. Mai 1824 im Wiener Theater am Kärntnertor der letzte Akkord der neunten Sinfonie Ludwig van Beethovens verklungen war. Man klatschte, johlte und jubelte, wie sich Zeugen später erinnerten. Einer von ihnen war Beethovens Adlatus Anton Schindler, der es mit der Wahrheit zwar nicht immer so ganz genau nahm, aber in diesem Fall nicht übertrieb, als er beschrieb, dass die Wiener Polizei dem Treiben im Saal irgendwann nicht mehr tatenlos zusehen mochte: „Als das Parterre zum 5ten Mahl Beyfallrufen anfing, schrie der Polizey Comißär Ruhe“, berichtete Schindler.

Und Beethoven? Er war buchstäblich mittendrin im Geschehen. Und blieb doch außen vor. Der gefeierte Superstar des Wiener Musiklebens stand zwar als Co-Dirigent der von dem Musiker Michael Umlauf geleiteten Aufführung auf der Bühne. Doch der Beifall drang ebenso wenig in sein Gehör vor wie die Musik. Als noch während der Aufführung das Publikum in das unglaublich mitreißende Scherzo hinein applaudierte, nahm Beethoven, der mit dem Rücken zum Publikum stand, den Jubel zunächst gar nicht wahr. Erst als die Sängerin Caroline Unger ihn am Rockzipfel fasste und umdrehte, sah er die Begeisterung der Menge.

Beethovens Tauftag ist am 17. Dezember

Heute vor 250 Jahren wurde Ludwig van Beethoven in Bonn geboren (urkundlich belegt ist allerdings nur sein Tauftag am 17. Dezember). Und seit einem Jahr wird das Ereignis in seiner Geburtsstadt ebenso wie in Wien, wo er die längste Zeit deines Komponistenlebens verbrachte, und darüber hinaus auf der ganzen Welt gefeiert. Allerdings a uf ganz andere Weise, als es ursprünglich geplant war. Die Corona-Pandemie hat das Beethovenjahr nah einem euphorischen und euphorisierenden Beginn früh ausgebremst. Aber: Das Jubiläumsjahr mag an Glanz verloren haben, zum Stillstand gebracht hat die Krise die Feierlichkeiten nicht.

Dass wir Beethoven unter radikal veränderten Vorzeichen dennoch mit ungebrochener Überzeugung weiter feiern, hat mit der Biografie des Komponisten, mit seinem Schicksal und seiner Persönlichkeit zu tun. Beethoven ist kein Künstler nur für gute Zeiten. Es gibt zahllose Lebenssituationen, in denen wir von ihm lernen können. Auch in der derzeitigen Corona-Krise, in einer Zeit also, wo das Wort Lockdown das gesellschaftliche Leben beschreibt und diktiert, ist das so. Nur während wir heute als Gemeinschaft uns vorübergehend in die Isolation begeben müssen, war Beethoven wegen seines sich immer weiter verschlechternden Gehörs irgendwann zu lebenslänglicher Isolation ver urteilt.

Beinahe in den Selbstmord getrieben

In seinem bewegenden Heiligenstätter Testament, das der erst 31-Jährige an seine Brüder adressierte, zeichnete er sich als einen lebhaften Menschen, der „selbst empfänglich für die Zerstreuungen der Gesellschaft“ sei. Er beschreibt, wie die Krankheit ihn zwang, sich immer weiter abzusondern. Und über die Schmach, ausgerechnet als Musiker den Gehörsinn zu verlieren: „aber welche Demüthigung wenn jemand neben mir stund und von weitem eine Flöte hörte und ich nichts hörte, oder jemand den Hirten Singen hörte, und ich auch nichts hörte“. Solche Ereignisse hätten ihn beinahe in den Selbstmord getrieben: „es fehlte wenig, und ich endigte selbst mein Leben“.

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Der französische Philosoph und Schriftsteller Albert Camus schrieb einmal: „Es gibt kein Schicksal, das durch Verachtung nicht überwunden werden kann.“ Diese Haltung sei „die einzige Würde des Menschen“. Ein Satz, für den Beethoven hätte Pate stehen können: „ich will dem schicksaal in den rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiß nicht“, hatte er 1801 an seinem Bonner Freund Franz Gerhard Wegeler geschrieben. Und im Heiligenstätter Testament heißt es: „nur sie die Kunst, sie hielt mich zurück, ach es dünkte mir unmöglich, die Welt eher zu verlassen, bis ich das alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt fühlte“.

Ein Werk, das zeitlos begeisternd ist

Beethoven hielt Wort. In dem Vierteljahrhundert, das ihm bis zu seinem Tod noch bleiben sollte, schuf er ein Werk, vor dem die Menschheit nur staunend niederknien kann. Ein Werk, das Musiker bis heute inspiriert, das die Menschen begeistert, das Beethoven trotz der radikalen Kompromisslosigkeit seiner Kunst weltweit gar zum meistgehörten klassischen Komponisten macht. Beethoven steht für vieles, er war ein Streiter für die Würde des Menschen, für den Erhalt der Schöpfung, er schuf Musik, die sich an die Masse richtet und zugleich den Einsamen ein e Stimme verleiht. In den letzten Jahren seines Lebens konnte Beethoven nur über die ihm damals zur Verfügung stehenden, unzureichenden Medien wie Hörrohre und Konversationshefte kommunizieren. Vielleicht lernen wir gerade ein bisschen zu verstehen, was dies bedeutet: Ausgerechnet an seinem 250. Geburtstag können auch wir die Konzerte zu seinen Ehren nur vermittelt hören. Fernsehen, Radio und Internet sind sozusagen unsere Hörrohre. Und wenn wir uns den nahezu ertaubten Beethoven bei der Uraufführung der Neunten inmitten der jubelnden Menge vorstellen, sehen wir einen Künstler und Menschen, den sein Biograf Jan Caeyers im Untertitel seines Buches ebenso lapidar und zutreffend als „Der einsame Revolutionär“ beschrieb.