Zum 250. Geburtstag von BeethovenWas Klein Ludwig alles für Streiche spielte
Bonn – Bonn, irgendwann in den 1770er Jahren. Ein Hinterhof mit einem Hühnerstall. Darin: ein kleiner Junge namens Ludwig van Beethoven. Davor: seine Nachbarin Maria Fischer. Schon seit einiger Zeit ist ihr aufgefallen, dass die Hühner in ihrem Stall kaum noch Eier legen - dabei werden sie doch gut gefüttert. Nun hat sie den Eierdieb auf frischer Tat ertappt: „Hey du, was machst du da?“ Doch Klein Ludwig ist nicht um eine Ausrede verlegen: „Mein Bruder Casper hat mir mein Taschentuch darein geworfen, das will ich wieder rausholen!“ Daraufhin entfährt Frau Fischer der Stoßseufzer: „Was soll nur mal aus dir werden?“
Die Anekdote stammt aus den „Aufzeichnungen über Beethovens Jugend“, die zwischen 1837 und 1857 von dem Bonner Bäckermeister Gottfried Fischer (1780-1864) mithilfe seiner älteren Schwester Cäcilia verfasst wurden. Gottfried Fischer war zehn Jahre jünger als der vermutlich am 16. Dezember 1770 geborene Beethoven und hatte in seiner Kindheit viel Zeit mit ihm verbracht, weil die beiden Familien jahrelang im selben Haus wohnten. Die Beethovens waren Mieter der Fischers. Lange wurde die Handschrift von der Fachwelt belächelt, doch 2006 konnte Margot Wetzstein, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bonner Beethoven-Haus, nachweisen, dass die Schilderung überraschend zuverlässig ist.
Ein ganz normaler Junge aus der Provinz
Für die Glaubwürdigkeit spricht auch, dass Beethoven in dem Text keineswegs idealisiert wird. Gottfried Fischer beschreibt nicht das Musikgenie aus Wiener Tagen, sondern einen ganz normalen Jungen aus dem Provinznest Bonn - und der konnte manchmal ziemlich nerven. So zogen er und seine Brüder ihn oft damit auf, dass er Fischer hieß. „Dein Vater fängt in der Nacht Fische und backt dann die Fische!“, hielten sie ihm vor. Und wenn er mal groß sei, müsse er dasselbe tun. „Die drei Beethoven-Jungen hörten nicht auf, mich zu ärgern, und so lief ich ihnen oft nach und schlug nach ihnen“, erinnerte sich Gottfried. Umgekehrt nannte seine Schwester Cäcilia den kleinen Ludwig einen „Notenfresser“, weil er sich am liebsten der Musik widmete.
Als Beethoven noch klein war, spielte er oft im Sand oder schaukelte. „Ludwig van Beethoven liebte es vor allem, wenn man ihn Huckepack nahm und durch die Gegend trug, da konnte er oftmals nicht mehr vor lauter Lachen.“ Die Mägde wurden mitunter als Babysitterinnen eingesetzt, passten aber manchmal nicht richtig auf, so dass die Kinder fast auf die stark befahrene Straße gelaufen wären. „Oft kam es vor, dass durch die Kinder oder die Mägde der Familie van Beethoven ein solcher Krach und eine so große Unruhe im Haus der Familie Fischer entstand, dass sich der Hauseigentümer Theodor Fischer genötigt sah, Madame van Beethoven sehr deutlich über die Hausordnung aufzuklären.“
Der kleine Beethoven machte auch ins Bett
Mit der gebotenen Diskretion berichtet Gottfried Fischer sogar über zeitweiliges Bettnässen Ludwigs. Mutter Beethoven sei die Sache ziemlich peinlich gewesen, aber schließlich habe sie von den Fischers einen „gut Rath“ in dieser Sache bekommen, und der habe ihm tatsächlich „gut geholfen“. Worin der Tipp bestand, verrät er leider nicht.
Äußerlich machte Beethoven oft einen verwahrlosten und ungepflegten Eindruck. „Du sollst dich was propper halten!“, ermahnte ihn Cäcilia. Darauf Ludwig: „Ist doch egal.“ Sein Aussehen beschreibt Gottfried als „gedrungen, kurzer Hals, dicker Kopf, runde Nase, schwarzbraune Gesichtsfarbe“. Aufgrund seines dunklen Teints wurde er „der Spanier“ genannt.
Ludwigs Vater Johann, der im Laufe seines Lebens immer mehr zum Alkoholiker wurde, absolvierte eine eher enttäuschende Laufbahn als Sänger am Hof des in Bonn residierenden Kölner Kurfürsten. Er ließ seinen Sohn schon früh Klavier und Geige üben und trat dabei sehr streng auf. Anfangs war Ludwig noch so klein, dass er auf einem Fußbänkchen vor dem Klavier stehen musste. Spielkameraden beobachteten, dass er dabei manchmal weinte. Der Vater konnte es gar nicht leiden, wenn Ludwig selbst etwas improvisierte. Einmal fragte ihn der Junge: „Aber ist das denn nicht schön?“ Der Vater entgegnete: „Das ist nur etwas aus deinem Kopf. Dafür bist du gar nicht da. Üb' weiter auf dem Klavier und auf der Violine, damit du die Technik gut beherrschst, das bringt dir deutlich mehr!“
In den Aufzeichnungen des Bäckers Fischer klingt immer auch seine rheinische Mundart an. So ähnlich muss auch Beethoven selbst gesprochen haben - schließlich hat er die ersten 20 Jahre seines Lebens in Bonn verbracht. Von „Würsch“ (Würste) ist da die Rede, von „Naß“ (Nase), „Küßgen“ (Küsschen) und „Musick“ (Musik). Näher als hier kann man dem Menschen Beethoven kaum kommen. (dpa)