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US-Rapper Travis ScottDrachenmäuler und Feuerpfeile im Rheinenergie-Stadion in Köln

Lesezeit 3 Minuten
US-Rapper Travis Scott.

Erfolgreicher US-Rapper Travis Scott.

„Circus Maximus“-Tour: Der US-Rapper Travis Scott begeistert im Rheinenergie-Stadion für knapp eineinhalb Stunden seine Fans.

Früher, als die Tiger noch Säbelzähne trugen und die Ahnen der Hühner zu groß waren, um in Fritteusen zu passen, wurden Lieblingsstücke auf Musikkassetten aufgenommen. Immer wieder. Je nach Dauer des Songs und nach Laufzeit des Tonbands reichte das für mehr als 30 Aufnahmen. Ganz so effizient ist Rapper Travis Scott nicht. Aber für sieben Mal „Fe!n“ am Stück reicht es Samstagabend im ausverkauften Rheinenergie-Stadion dann doch. Plus zweier Reprisen.

Von Ziehvater Kanye West hat sich der 33-Jährige aus Houston, Texas, einiges abgeschaut. Das zum Mantra-Machen von Stücken durch Wiederholung gehört ebenso dazu wie der Win-Win-Werbevertrag mit einem Sportschuh-Hersteller. Weniger Nachahmenswertes wie rassistische und antisemitische Äußerungen oder öffentliche Wutausbrüche hat sich Scott nicht auf die Fahne geschrieben. Gut so.

Für 86 Minuten wird das Stadion zum Epizentrum der Energie. Sie geht aus von demjenigen, der in nimmermüdem Lauf und mit nimmermüden Sprüngen einen Berg- und Tal-Parcours absolviert, der sich bis weit in den Innenraum erstreckt. Angesichts der Felsenlandschaft mit ihren Höhlen, Stufen und Plateaus kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Team fürs Bühnenbild den falschen Zettel erwischt hat. Mit einem römischen Amphitheater, an das der Tourtitel „Circus Maximus“ denken lässt, hat das meist nichts zu tun. Es ist vielmehr die Kulisse für einen Fantasyfilm.

Ein menschlicher Dynamo im Bootcamp der Emotionen

Was an dem Tourtitel vielleicht doch nicht ganz falsch ist, zumindest aus Sicht derjenigen, die in den 1970ern das Rebellentum ausriefen und allem, was gesellschaftlich konform war, den Kampf ansagten: Rap ist der Punk der Gegenwart. Am Tanzstil hat sich nichts geändert, es wird gepogt, gemosht, geslammt. Schweiß fließt in Strömen, T-Shirts in die Luft, einzig die Bierduschen verheißen Abkühlung. Aber der, der auftritt, sagt an. Und Kommerz ist nicht länger der Feind. Kommerz ist Kultur geworden. Für Erz-Punks jedoch die reine Dystopie.

In riesigen Wellen brodelt und brandet die Energie zurück auf die Felsen. Travis Scott glüht. Ein menschlicher Dynamo im Bootcamp der Emotionen und im Brachialbrei der Bässe. Feuerfontänen werden wie aus Drachenmäulern gespien. Feuerpfeile zischen hoch in der Luft quer über den Innenraum, auch auf den Lautsprechertürmen, die zugleich Leinwände sind, und der Oberkante der Bühne zündelt, flackert und britzelt es.

Aus Dämonenaugen schießen grelle Laserstrahlen, es hagelt Stücke vom letzten Album „Utopia“, und zwei Gorillas im Nebel wissen nicht recht, wo hin mit sich. Ganz ähnlich ergeht es den Fans, die Scott auf die Bühne holt. Im besseren Fall dürfen sie eine Weile mit ihm performen, auch mal ins Mikro rappen. Im schlechteren werden sie fast ganz allein gelassen, am Ende per Handbewegung vom Felsen gewedelt. Ein Umarmungsversuch wird abgeblockt. Nach ihren Namen nicht gefragt.

Für seine Fans bleibt Scott trotzdem der Größte. Und der Abend eine absolute Offenbarung. Daran ändert auch nichts, dass es keine Zugaben gibt. Immerhin klatscht Scott beim Rückzug von der felsigen Kommandobrücke noch ein paar Hände ab. Intimer geht's nicht.