Das erste von zwei Pink-Konzerten im RheinEnergieStadion war ein voller Erfolg. Heute Abend folgt dann das zweite.
„Summer Carnival“-TourWeltstar Pink begeistert im ausverkauften RheinEnergieStadion
Wen man liebt, dem macht man Geschenke. Und wer besonders viel geliebt wird, bekommt besonders viele. Samstag im RheinEnergieStadion wird Pink mit derlei Aufmerksamkeiten förmlich torpediert. Vor ihren Füßen landen unzählige Plüschtiere, Plakate, Briefe, Regenbogenflaggen, -einhörner und – schals, ein selbst genähter Faltenrock, eine Schürze mit üppiger Dirndl-Büste über schäumenden Maßkrügen. Die, nach mehreren Anläufen, dann auch tatsächlich korrekt justiert wird. Pink findet’s lustig.
Zwei Abende hintereinander sorgt die 43-Jährige für ein ausverkauftes Kölner Stadion. Sonntagabend werden insgesamt 84 000 Menschen mehr ihr „Summer Carnival“-Konzert gesehen haben, mit dem die Sängerin und Songschreiberin derzeit auf Welttournee ist. Im Gepäck ihr aktuelles, neuntes, Studioalbum „Trustfall“, viele alte Hits und eine Show, die daherkommt wie eine prallgefüllte Wundertüte. Ein Zwei-Stunden-Feuerwerk, brillant vom ersten Moment an. Es vereint das Beste aus Varieté und Revue, berührt, betört und begeistert.
Weltstar Pink in Köln: Große Emotionen und pure Wut
Mitunter mutet das an wie ein Zirkus unter freiem Himmel oder ein gewaltiger, bunter Vergnügungspark für große Kinder, dann wieder wirkt es ganz intim und dicht und nah. Etwa dann, wenn ihr jemand bei „When I Get There“, dem Stück, das sie ihrem im August 2021 verstorbenen Vater Jim gewidmet hat, ein großes Kissen auf die Mittelbühne reicht. Darauf zu sehen: ein Foto von beiden beim gemeinsamen Auftritt in New York vor 15 Jahren. Innig drückt sie es an sich und lässt es die nächsten Minuten nicht mehr los.
Um kurz danach, vor „I Am Here“, erstmal ihre Plateauschuhe abzustreifen, um ihrer Wut über all das, was sie ärgert, mit kraftvollen Sprüngen besser Ausdruck zu verleihen: „I know that I’ll be ready, when the devil is near.“ Und dieser Teufel hat viele Fratzen. So wie im Video zu „Irrelevant“, wo ein bellender Trump kontrastiert wird mit Bildern von Black- Lives-Matter-Protesten und Demonstrantinnen, die dafür eintreten, dass ihr Körper ihnen gehört. Cyndi Lauper sang 1983 „Girls just wanna have fun“. Pink singt heute: „Girls just wanna have rights.“
Es ist diese Mischung aus Humor und Zugewandtheit – so eine alberne Schürze anzuziehen und dabei sichtbar Spaß zu haben – aus Menschlichkeit und Meinungsfreude, die einen Teil der Faszination von Pink ausmacht. Es ist ihre Stimme, die bei Stücken wie „Who Knew“ oder „Just Give Me A Reason“ eine Stärke entwickelt, die die eigene Verletzlichkeit nicht verleugnet, aber genau daraus ihre Kraft bezieht. Und ihre Energie, die sie scheinbar spielerisch luftakrobatische Pirouetten drehen lässt, gegen die ambitionierte Kolleginnen wie Helene Fischer und Beyoncé regelrecht blass aussehen. Sie fliegt höher, weiter, riskanter. Aber sie war auch die Erste. Die anderen versuchten, es ihr nachzutun.
All das vor einer Kulisse, die den „Summer Carnival“ mit meterhohen silbernen Pailletten-Palmen, einer gigantischen Eistüte und einem überdimensionierten Wasserball mit Discokugel-Einkreuzung thematisch so umsetzt, dass das wirkt wie eine Strandidylle für Riesen. „It’s a carnival celebration“ erklärt vorab ein Avatar von Pink. Ehe die Protagonistin dann in Fleisch und Blut und silbernem Trikot aus den roten Lippen eines geöffneten Mundes heraus am Trapez auf die Bühne schwebt, um schon dabei ihre ersten Überschläge zu zeigen. „Get the Party Started“? Oh, ja. Bitte.
Bei „Raise Your Glass“ lassen die Fans rosa und rote und pinkfarbene Ballons steigen, aus dem Cocktailglas auf der Leinwand springen pinkfarbene Delfine, das Tanz-Corps fährt mit blinkenden Flamingo-Scootern über den Catwalk. Kitschig? Ja. Aber so schön. Und so dynamisch. Bei„Just Like A Pill“ kracht es ordentlich, es regnet Regenbogenflaggen.
Klar, es ist Christopher Street Day in Köln. Aber Pink ist auch sonst keine Künstlerin, die sich freiwillig den Bible Belt umgürten lassen würde. Lieber zeigt sie bei „Turbulence“ einen Pas de Deux in den Lüften mit einem ihrer Tänzer, umschlingt seinen nackten schwarzen Oberkörper. Bei „Just Like Fire“ wird es dann so heiß, dass man den Atem der Feuerfontänen auf den Rängen spürt. Mit tollkühnen Trampolin-Salti bei „Trustfall“ und tanzenden Küssen im Konfettiregen bei „Blow Me (One Last Kiss“) strebt die Show unerbittlich ihrem Ende entgegen.
Dass Pink, mit mehr als 40 Millionen verkauften Alben und über 70 Millionen verkaufter Singles eine der erfolgreichsten Künstlerinnen unserer Zeit, zutiefst Demokratin ist, merkt man auch daran, dass sie etwas tut, was sonst keine tut: sie stellt alle Bandmitglieder, alle Tanzenden und Singenden namentlich einzeln vor. „So what“, als erste und einzige Zugabe, zeigt sie noch einmal auf voller Höhe: im um die eigene Achse wirbelnden Rundflug über den Innenraum und über die Ränge. Um ein Haar hätte man ihr da die Hand reichen können. Ach.
Ganzjährig „Karneval“
Ihre achte Tournee, die Pink und ihre Entourage durch Europa, Nordamerika, Kanada, Australien und Neuseeland führt, trägt den Titel „Summer Carnival“. Wobei dieser „Karneval“ nicht allein auf den Sommer beschränkt ist, er findet ganzjährig statt.
Vom Auftakt am 7. Juni 2023 in Bolton (England) bis zum Abschluss am 19. März 2024 in Brisbane (Australien) sind insgesamt 61 Auftritte geplant. 13 Spielorte liegen in Europa, in Deutschland ist Pink in vier Städten zu Gast (Berlin, München, Köln und Hannover). In München, Köln und Hannover tritt sie jeweils an zwei Abenden hintereinander auf. (sus)