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Premiere im Depot 2Kamila Políková inszeniert Elfriede Jelineks „Asche“ in Köln

Lesezeit 3 Minuten
ASCHE
von Elfriede Jelinek
Regie: Kamila Polívková
 
Regie: Kamila Polívková
Bühne & Video: Antonín Šilar
Kostüme: Elke von Sivers
Musik: Þóranna Dögg Björnsdóttir
Licht: Jürgen Kapitein
Dramaturgie: Dominika Široká
 
Foto: Max Borchardt

Cristin König brilliert in „Asche“.

Trauerverarbeitung: Kamila Políková inszeniert Elfriede Jelineks „Asche“ im Depot 2 des Schauspiels Köln.

Worin liegt für Regisseurinnen und Regisseure der Reiz, das Publikum mit einem Text von Elfriede Jelinek zu konfrontieren? Nachdem sie selber über Monate den Inhalt bis in jede Nuance, jeden Nebensatz analysiert haben, kommen die Zuschauer ins Theater, haben vielleicht den Ankündigungstext gelesen und gehen wie im Fall von „Asche“, das jetzt Premiere im Depot 2 feierte, wieder. Aber was bleibt?

Jelinek-Texte, das sind nie klar erkennbare Geschichten, aus denen auf eine Handlung die nächste folgt oder aus einer Handlung die nächste erfolgt. Sondern elegant formulierte, oft überformulierte Assoziationsketten oder ein rauschender und gleichzeitig berauschender Gedankenfluss, in denen sich die Literatur-Nobelpreisträgerin verschiedenen Themen widmet und sie auf eine zunächst einmal für sie selbst nachvollziehbare Art und Weise miteinander verbindet.

Tod des Ehemanns verarbeitet

In „Asche“ ist dies zunächst der Tod ihres Ehemannes Gottfried Hüngsberg im September 2022, die beiden waren seit 1974 verheiratet. Diesen essenziellen Verlust stellt sie in Zusammenhang mit der eigenen, auch physischen Vergänglichkeit und dem durch von den Menschen gemachten Niedergang der Erde, wobei Jelinek auch höheren Mächten, sei es eine einzelne oder ein Pantheon, ein Mitverschulden attestiert. Es ist ein von Trauer getrübter Blick, der gleichzeitig eine große Klarsichtigkeit nicht verleugnen kann.

Dazu stellt die Autorin der weiblichen Hauptfigur „Sie“ (Cristin König) die vier Elemente an die Seite: Feuer (Peter Fasching), Wasser (Zainab Alsawah), Luft (Kristin Steffen) und Erde (Mathias Max Herrmann).

Die Kunst der Pause

In der Inszenierung der tschechischen Regisseurin Kamila Políková zelebriert vor allem Cristin König die Kunst der Pause. Sie seziert die Textmenge akustisch, staut den Gedankenstrom, sodass zumindest für den Augenblick kleine Seen der Sinnhaftigkeit entstehen.

Doch Jelineks Gedanken fließen munter weiter, und der Zuschauer hat, anders als ein Leser des Textes, nicht die Möglichkeit, sich einen Satz, einen Absatz oder eine Seite noch einmal (oder auch dreimal) zu Gemüte zu führen. Denn so sehr Políková auch das Tempo immer wieder drosselt, die Aufnahmefähigkeit beim Zuhören ist schneller erschöpft, als einem lieb sein mag.

Bewegende Zitate

Und so ergibt man sich und erfreut sich immer wieder an einzelnen Passagen. „Nur ich gefalle keinem mehr. Keiner dreht sich mehr nach mir um. Für keinen bin ich die ganze Welt, nicht einmal im Format einer schmalen Geldbörse.“

Oder: „Die letzen werden kein Grab mehr gekriegt haben, weil ihre letzten Gefährten zu faul zum Graben waren.“

An anderer Stelle heißt es: „Im Weltenganzen müssen Sie sich jetzt in Ruhe einen Ort für Ihren Ruhestand suchen, Sie sind ja jetzt schon nur eine halbe Portion! Ihre andere Hälfte wird noch gesucht. Sie ist verschwunden. Welche Trägersubstanz würden Sie vorziehen? Oder würden Sie gleich Ihren Tod vorziehen, also dass er früher stattfindet und Sie sich die ganze Sucherei ersparen?“

Viele starke Bilder

Was wirklich bleibt, sind viele eindrückliche Bilder der Einsamkeit und des Verfalls: Die mit Schnee (!) bedeckte Spielfläche, auf der Cristin König ihren Eröffnungsmonolog hält. Die einzelne Lilie im Schnee, der im Laufe des Abends geschmolzen ist, Pfützen gebildet hat und selbstredend an das Gletschersterben denken lässt.

Die Makroaufnahmen (Bühne und Video: Antonín Šilar), die verrottendes Obst zeigen oder auch einen Früchtetee-Beutel, dessen Farbe blutroter Beeren sich langsam mit dem hinzugegebenen Wasser vermischt. Oder die Kette aus buntem Wassereis (Kostüme: Elke von Sivers), das nach und nach Flecken hinterlässt auf dem Outfit von Zainab Alsawah, die das Element Wasser verkörpert.

Leider stehen sie in Konkurrenz zu vielen typischen und wie so oft überflüssigen, nichtssagenden oder gar albernen Regie-Theater-Einfällen. Und so fällt der Premierenapplaus zwar herzlich, aber kontrolliert aus.

90 Minuten.Wieder am 4. und 11. 5., jeweils 19 Uhr sowie 15.5., 2. und 16.6. jeweils 20 Uhr.