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Oldschool EnsembleMit 91 auf der Bühne in Köln Neues Entdecken

Lesezeit 5 Minuten
David Vogel (künstlerischer Leiter, rechts), Horst Sommerfeld und Gabriele Seiler-Seidler des Oldschool-Ensembles am Schauspiel Köln.

David Vogel (künstlerischer Leiter, rechts), Horst Sommerfeld und Gabriele Seiler-Seidler des Oldschool-Ensembles am Schauspiel Köln.

Das „Oldschool“-Ensemble am Schauspiel richtet sich an Senioren, die auch ihre eigene Biografie auf der Bühne aufarbeiten. 

Wie bleibt man jung? Die amerikanische Innenarchitektin Iris Apfel, die 2019 mit 97 Jahren bei der Agentur IMG einen Vertrag als Model abschloss, hatte darauf eine bestechende einfach klingende Antwort: „Wer jung bleiben will, muss jung denken.“ Horst Sommerfeld und Gabriele Seiler-Seidler, beide Laienschauspieler beim „Oldschool“-Ensemble am Schauspiel, räumen aber ein, dass das gar nicht immer so einfach sei.

Sprechübungen vor Bäumen

Als Berufsjugendlicher durchs Leben zu gehen, der Falten ignoriert und sich wie ein Teenager kleidet, fände die 77-jährige Laienschauspielerin „peinlich“. „Ich würde ergänzen, dass man den Mut aufbringen muss, etwas zu tun, was so im Allgemeinen nicht gemacht wird“, sagt der 91-jährige Sommerfeld. Hochkompliziert sei es mitunter, jung zu bleiben.  Doch da helfe das Schauspielern zum Beispiel. Sich dabei immer neu mit sich selbst konfrontieren. Als er vor zwölf Jahren zum Ensemble stieß, forderte das Sommerfeld viel Mut ab.

Mit Kritik umzugehen, das werde im Alter tendenziell schwerer. „Als man mir sagte, ich solle mehr lächeln, hat mich das gefuchst. Du meine Güte, ich musste erst einmal vor dem Spiegel üben, zu lächeln.“ Die Übungen verbindet er heute mit angenehmen Dingen, geht zu seinen Lieblingsbäumen im Park und spricht ihnen seinen Text vor. „Sich in einem Stück herauszufordern, immer wieder neu und so auch die eigenen Grenzen mit der Zeit zu verschieben“, sagt Seiler-Seidler, das sei eine Art Lebenselixier.

Ein Wort, das in der Suchmaschine zuallererst Kräutersäfte aus Ginseng-Wurzeln oder Bewegungstipps des Fußballarztes ausspuckt. „Oldschool“ hat da eine andere Herangehensweise: Humor gehört dazu. Witze auf eine Art, die auf ungewohnte Weise ansprechen. Wenn eine Seniorin zu Fanfaren aus Händels Halleluja „Ha-llo Hallux“ schmettert. Beim Publikum kommt das authentische Ensemble an. Mit Titeln wie „Wunderschönes Welkfleisch“, das einen beherzten Akzent gegen den Schönheitswahn setzt, der Inszenierung „Erst mal für Immer“, welche die Institution Ehe auf den Prüfstand stellt, oder „Ausverkauf“, das vom Abschiednehmen vom „Lebensballast“ erzählt.

Die gut 25 Seniorinnen und Senioren im Alter zwischen 60 und 91 Jahren arbeiten unter der künstlerischen Leitung von David Vogel und Nina Mackenthun. Auf dem Spielplan stehen keine Klassiker, vielmehr steckt eine Menge Biografiearbeit in den selbst kreierten Stücken. „Ich würde mich als Performerin bezeichnen“, sagt Seiler-Seidler David Vogel ist mit 36 Jahren eine andere Generation. Er hat schon mit Kindern Theater gemacht und ist zum Schluss gekommen, „dass der Unterschied zwischen Jung und Alt gar nicht so gravierend ist“.

„Wunderschönes Welkfleisch“

Wieso sollten 60-Jährige und 90-Jährige auf einmal gleich sein, nur weil sie in einem Ensemble spielen? Biografiearbeit kommt da zu Hilfe. Sommerfeld erzählt wie er sein „Coming-out“ als schwuler Mann zum Thema machte, Texte von Oscar Wilde wurden da gelesen und Seiler-Seidler erzählte seine Geschichte auf der Bühne. Das berührte. „Wunderschönes Welkfleisch“, entwickelte seine eigene Wucht. „Diese schonungslose Darstellung des Alters, welke Körper. So wie sie nun mal aussehen.

Und die entsprechenden Texte dazu, das brachte eine Regisseurin im Publikum dazu, zu sagen, das Stück habe ihr Leben verändert“, sagt Gabriele Seiler-Seidler. Man sei im Gespräch, mit ihr künftig zu arbeiten. Denn auch wenn „Oldschool“ erfolgreich ist, auch jüngeres Publikum anspricht, soll es nach der Sommerpause unter eigener Regie spielen. Es wird nicht mehr am Schauspiel angesiedelt sein. Eine Entscheidung des designierten Intendanten Kai Voges. „Wir möchten die Arbeit des Schauspiel Köln mit Bürgerinnen und Bürgern fortsetzen. In der Spielzeit 2025/26 werden wir dieses Prinzip weiter entwickeln mit einem generationsübergreifenden Ensemble.

Die neuen Projekte stellen wir Ende Mai mit dem Programm der nächsten Spielzeit vor“, sagt Voges. „Es kommt eine neue künstlerische Handschrift“, sagt David Vogel, dem es wichtig ist, dass die „Oldschool“-Geschichte weiter geschrieben wird. Er selbst bleibe am Schauspiel, schaffe es aber nicht, die Gruppe weiter zu leiten. „Aber eine neue Handschrift, eine Zäsur, eine neue Leitung, das kann auch etwas Konstruktives haben“, sagt Vogel. Zuversichtlich machen ihn die langen Wartelisten. Idee des Ensembles ist es, den kulturellen Auftrag der Teilhabe und Teilnahme zu erfüllen.

Nicht jeder ist Mephisto

„Ich hole jeden ab. Es steckt nicht in jedem ein Mephisto. Aber jeder findet auf der Bühne seinen Platz.“ Und wie geht man mit Rückschlägen, mit Konflikten um? „Ich sage mal, wir sind alle zugespitzte Persönlichkeiten“, sagt Seiler-Seidler. „Und diese Spitze, die sticht schon mal gegen andere Leute. Aber bis jetzt sind wir eigentlich immer noch gut davon gekommen. So erlebe ich das.“ Sommerfeld spricht mit Bedacht von einem Texthänger. „Das ist das, wovor wir Schauspieler Angst haben. Weil ich schwer höre in meinem Alter, habe ich die Souffleuse nicht gehört. Ein Kollege hat mir dann geholfen und den Text weitergegeben, so dass es am Ende nicht ganz so schlimm war. Gott sei Dank ist mir das nur einmal passiert.“

In der Performance „Temptation“ bewegen sich zehn Mitglieder des „Oldschool“-Ensembles mit Performern der Kompanie von Choreografin Silke Z zwischen den Themen Lust und Verlust, Flirt und Scham, Genuss und Schmerz. Sie entwerfen in biografischen Auszügen und körperlichen Momentaufnahmen ein Statement zur Sexualität im Alter. Nächsten Spieltermine: 22. Juni, 18 Uhr, in den Ehrenfeldstudios und am 26. Juni, 19.30 Uhr, im Theater Pavillon im schweizerischen Luzern. www.schauspiel.koeln