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Neu bei NetflixIn „The Boyfriend“ wird beim Kaffeekochen nach der großen Liebe gesucht

Lesezeit 3 Minuten
Boyfriend. (L to R) Gensei, Ryota in Boyfriend. Cr. Courtesy of Netflix 2024

Vorsichtig versucht Gensei (l.) bei Ryota zu landen

In der neuen Netflix-Show „The Boyfriend“ suchen junge Männer nach der großen Liebe - ohne sich dabei die Augen auszukratzen.

Eine Reality-Show ohne Hauen und Stechen? Ohne Intrigen und verbale Attacken unter der Gürtellinie? Geht das? Auf jeden Fall! Das japanische Format „The Boyfriend“ macht es vor.

Ausgangspunkt: Eine Gruppe junger Männer zwischen Anfang 20 und Anfang 30 zieht gemeinsam in ein Haus – um die große Liebe, aber vielleicht auch nur gute Freunde zu finden. Jeder hat ein Zimmer für sich, es wird gemeinsam gekocht, zusammen gegessen, Zeit miteinander verbracht.

Extrem respektvoller Umgang

Der Umgang ist extrem respektvoll, geprägt von japanischen Umgangsformen, die aus dem mitteleuropäischen Blickwinkel oft fast bizarr anmuten: Warum verbeugen sich diese jungen Menschen ständig voreinander, wenn sie sich bedanken?

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Wo wir einen lockeren Umgangston erwarten würden, verlangt ihre Kultur ein distanziertes, durch strenge Regeln vorgegebenes Verhalten. Negative Gefühle werden meist hinter einem Lächeln versteckt, das nur in seltenen Fällen nicht gelingt.

Als Alternative steht noch, je nach Temperament, ein möglichst gleichgültiger Gesichtsausdruck zur Verfügung. Auch den Hormonen wird nicht gestattet, eine offensichtliche Rolle zu spielen.

Geringere gesellschaftliche Akzeptanz

Dass dieser tradierte Verhaltenskodex es extrem erschwert, einander näher zu kommen, ist allen Beteiligten bewusst. Hinzu kommt, dass eine gesellschaftliche Akzeptanz für queere Lebensweisen nicht so verbreitet ist wie etwa in West-Europa.

Wie zum Beweis scheint Alan für die Show gecastet zu sein: Seine Eltern haben brasilianische, italienische und japanische Wurzeln. Er selber gibt sich viel ungezwungener als die anderen, womit er sie hin und wieder aber auch überfordert.

Mit dem Liebsten in den Coffeetruck

Spätestens hier kommt der Coffeetruck ins Spiel. Denn damit das Beisammensein nicht zum öden Dolce far niente gerät, müssen jeden Tag zwei der Bewohner mit dem mobilen Gefährt Geld für die Haushaltskasse verdienen.

Der besondere Kniff: Von einer Art „Big Brother“, der mit der Gruppe über ein Tablet kommuniziert, wird einer von ihnen für die Schicht ernannt – der sich wiederum einen Partner aussuchen kann, mit dem er zusammenarbeiten möchte.

Test auf Alltagstauglichkeit

Dabei geht es nicht nur darum, in der fahrbaren Kaffeebud nah beieinander zu sein, sondern auch herauszufinden, ob man harmoniert, wenn es gilt, eine gemeinsame Aufgabe zu bewältigen – die eben nichts von der Schrillheit der „Challenges“ anderer Realityformate hat. Kann man gut Hand in Hand arbeiten? Wie kann man die unterschiedlichen Fähigkeiten und Talente gewinnbringend einsetzen? Ohne Stress wird hier auch eine Alltagstauglichkeit getestet.

Das klingt alles sehr banal, auch die Ansätze von Dramen entwickeln nie hysterische Züge. Warum kann sich Shun nicht entscheiden, ob er Dai nun mag oder nicht? Wie geht Kazuto damit um, dass ihn gleich drei der anderen Jungs toll finden?

Shakes aus Hähnchenfleisch

Selbst die Diskussionen darüber, dass Usaks Shakes aus gekochtem Hühnchenfleisch regelmäßig die Haushaltskasse sprengen, erheben sich nie über die Milde einer Montessorischule. Weiter entfernt vom Dschungelcamp oder jeglicher Bachelor-Balz kann man wirklich nicht agieren.

Und so verfolgt man das Geschehen mit Neugierde, versucht aus dem Verhalten, aus dem Miteinander Muster abzuleiten und Erklärungen für das Warum-Weshalb-Wieso zu finden. Das gelingt in ungefähr demselben Tempo, in dem sich die Bewohner mehr und mehr öffnen und sich schließlich auch trauen, dem Mann ihrer Wahl ihre Gefühle zu offenbaren.

Und weil sie allesamt so verdammt freundlich und sympathisch sind, bricht es dem Zuschauer jedes Mal das Herz, wenn das mit großer Überwindung geäußerte Liebesgeständnis beim Gegenüber nicht erwidert wird. Denn das ist in allen Kulturen gleich: Trotz höflicher Verbeugungen und eines freundlichen Lächelns bleibt eine Abfuhr eine Abfuhr.

„The Boyfriend“, zehn Folgen, jeweils 37 bis 53 Minuten, Netflix.