Am 25. November beginnt die Ausstellung „Magie Bergkristall“ im Kölner Museum Schnütgen. Zuvor durften wir der Restauratorin Anke Freund bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen.
Museum Schnütgen in KölnSo werden die Bergkristalle auf Hochglanz gebracht
„Ich muss ausblenden, wie kostbar das ist, sonst kann ich nicht damit arbeiten!“ Und so nimmt Anke Freund das Reliquiar vorsichtig auf, befreit es mit einem Pinsel von einer Staubschicht. Die Leihgabe kommt aus dem Essener Domschatz ins Museum Schnütgen. „Nachdem wir in den vergangenen Monaten unsere eigenen Objekte ‚schön gemacht‘ haben, werden jetzt auch einige unserer Gäste quasi in ihr bestes Sonntagskleid gehüllt – damit es bei uns funkelt“, freut sich Manuela Beer, Vize-Direktorin und Kuratorin der Ausstellung.
„Der Zahn der Zeit“
Der Aufwand für das Reliquiar war vergleichsweise gering. „Es war in erster Linie eine Pflegemaßnahme!“ Neben dem besagten Staub, der sich vor allem in den geschliffenen Mustern des Fläschchens aus Bergkristall eingenistet hatte, war die Fassung angelaufen – etwas, das jeder aus der eigenen Besteckschublade kennt. „Diese Anlaufschichten – das ist der Zahn der Zeit, das kann man eigentlich kaum verhindern.“ Aber man kann ihnen zu Leibe rücken: „Ich reduziere sie durch eine Kombination aus lokal angewendeter Elektrolyse und einer leichten Nachpolitur mit feinster Champagnerkreide.“
Aufbewahrt wird es in einem Silberschutztuch aus Baumwolle, „dessen Fasern mit reinem, feinst verteiltem Silber bedeckt sind. Dieses Silber bietet für Schadgase wie Schwefelwasserstoff (hauptsächliche Ursache für das Anlaufen von Silber), Schwefeldioxide, Stickoxide und Chloride eine große Angriffsoberfläche und fängt sie ab.“
Viel weiter würde Anke Freund bei diesem Objekt auch nicht vorgehen. „Man kann mehr machen, aber damit würde man sehr eingreifen. Hinten gibt es zum Beispiel ein Stück herausgebrochenes Bergkristall, das relativ unpassend wieder eingesetzt wurde“, erklärt die Restauratorin. Dafür müsste sie etwa die Nieten lösen. „Man versucht ja den gewachsenen Zustand zu erhalten.“
Ein wichtiger Punkt: die Standfestigkeit, an der die beiden Fachfrauen nichts zu bemängeln haben. Im Gegenteil: „Ich habe das Reliquiar besonders gern“, gibt Manuela Beer zu. „Es steht auf kleinen Füßen und sieht fast aus, als würde es davon laufen. Es gibt viele Bergkristalle, die eine leichte Neigung haben, als seien sie schon auf dem Weg irgendwohin!“ Und dieses knapp 300 Gramm schwere Kleinod hat auf jeden Fall einen weiten Weg hinter sich.
„Das Bergkristall selber stammt aus dem 10. Jahrhundert.“ Hergestellt wurde es wohl in einer Werkstatt im Abbasiden-Kalifat, dessen Reich sich Ende der ersten Jahrtausends zeitweilig vom heutigen Iran über Saudi-Arabien bis ins westliche Nordafrika erstreckte. Die zeitliche Einordnung sei möglich durch die Einordnung der „Dekorationssysteme. Hier sind das Ranken, die sich einrollen, und Blättchen, die sich in alle Richtungen biegen“, erklärt Manuela Beer. „Und wenn man von der Seite darauf schaut, kann man mit Fantasie vielleicht auch einen Vogel sehen.“
Kreiert worden sei das Gefäß wahrscheinlich als Parfümfläschchen für eine Dame – „auf jeden Fall enthielt es etwas Luxuriöses“, so Beer. Diese Art von Behältnissen kamen später als Geschenke oder als Teil der Mitgift von byzantinischen Prinzessinnen nach Europa. „Hier war es ein Wunderwerk: Es war transparent und in einer Weise bearbeitet, die man nicht kannte – und aufgrund fehlender Kenntnisse und Fähigkeiten auch nicht nachmachen konnte.“
Unbekannter Heiliger
Die Kostbarkeit wurde noch gesteigert, als das Bergkristall im 13. Jahrhundert mit einer Reliquie befüllt und eingefasst wurde. Noch heute leuchtet der rote Stoff – auch wenn man nicht weiß, welchem Heiligen das Reliquiar gewidmet oder ob jemals Blutstropfen darin waren. Kein Wunder also, dass solche mit Bedeutung aufgeladenen Objekte dazu beitragen, den Arbeitsalltag von Anke Freund spannend zu halten. „Ich habe die Möglichkeit, diesen Stücken ganz nah zu kommen, sie in die Hand zu nehmen.“ Dabei fasziniert sie vor allem die Handwerkskunst. „Sich vorzustellen, dass das alles Handarbeit ist und wie viele Stunden das gekostet haben muss.“ Sie selber hat für ihre „Pflegemaßnahmen“ nur etwa sechs Stunden benötigt, Kostenpunkt: zwischen 500 und 600 Euro. Und so kann das gute Stück bald im Museum Schnütgen mit den anderen 130 Bergkristall-Objekten um die Wette funkeln.
Die Ausstellung „Magie Bergkristall“ läuft vom 25. November 2022 bis 19. März 2023 im Museum Schnütgen, Cäcilienstr. 29−33.