Kuratorin Eboa Itondo setzt Picassos Radierungen einem radikalen Magazin feministischer Künstlerinnen entgegen. Die Schau ist bis zum 4. Februar in Köln zu sehen.
Museum LudwigPablo Picasso trifft auf feministische Künstlerinnen – neue Schau in Köln
Die junge Frau blickt gebannt auf die ältere. Ungeduldig abwartend, was ihr diese wohl sagen mag. Es dürfte um die Zukunft gehen. Aber für den Betrachter der Szene ist vor allem die Gestik spannend. Grübelnd drückt die ältere mit dem Finger die Nasenspitze ein. Zwischen ihnen steht ein Männchen, das unauffällig ist, sich aber trotzdem vordrängt. Ein paar Existenzkarikaturen scheinen sich hier versammelt zu haben. Aber es geht um etwas Wichtiges, das liegt in der Luft, davon sprechen die Augen.
Prüderie in Paris
Die „Wahrsagerei mit einem neugierigem Affenähnlichen “ heißt das Bild aus Pablo Picassos (1881 – 1973) Spätwerk. Es gehört in einen Zyklus mit Radierungen aus den Jahren 1968 bis 1972. In ihrer Gesamtheit sind sie nun erstmals seit 20 Jahren in der Sammlungspräsentation „Picasso. Suite 156“ im Museum Ludwig zu sehen. Tatsächlich sind es nur 155 Blätter, Blatt Nummer 7 fehlt, da die Druckplatte verloren ging.
Die erste Ausstellung 1973 in Paris stieß auf gemischte Resonanz. Häufig sind weibliche Aktdarstellungen zu sehen, die Begierde wird auf keinem Blatt versteckt — auch die Unterdrückung sexueller Bedürfnisse thematisierte Picasso. Doch selbst in der Stadt der Liebe waren einige damals so prüde, dass sie die Offenheit ablehnten. Andere lobten Picassos technisches Können und die hinreißende Strichführung. Die explizite Darstellung der Sexualität löste jedenfalls Kontroversen aus.
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Und das in einer Zeit des politischen und sozialen Wandels, in der Aktivisten nach den Studentenprotesten von 1968 regelmäßig auf die Straßen gingen. Die Kulturwissenschaftlerin Eboa Itondo, die im Mai vergangenen Jahres die Nachfolge von Julia Friedrich in der Leitung der Grafischen Sammlung übernahm, kuratierte jetzt erstmals. Ihr ist der Blick auf die Zeit der Umbrüche wichtig.
Das Geschirrtuch brennt
Parallel zum Entstehungszeitraum der Suite 156 entstand an der Kunsthochschule in Paris das Magazin „Le Torchon brule“ (Das Geschirrtuch brennt), das Aktivistinnen und Künstlerinnen aus dem Mouvement de Libération des Femmes (MLF) herausgaben. Gleichberechtigung in allen Dingen forderten sie.
Eine Auswahl an Texten und Illustrationen des Magazins ist Picassos Zeichnungen gegenübergestellt. Ein weiterer geschickter Kniff der Kuratorin ist im Kabinett zu sehen: Kubra Khademi, 1989 in Afghanistan geboren, fordert in ihren Arbeiten Geschlechtergerechtigkeit auf humorvolle Weise ein, was auf den Straßen Kabuls 2015 auf erbitterten Widerstand stieß. Sie musste das Landverlassen und lebt im französischen Exil. Ihr Esel mit langem Gemächt mit dem Titel „Donkey is proud of His Dick“ steht für die Eitelkeit vieler Männer — und wie Frauen darüber denken.
Die Präsentation der grafischen Arbeiten Picassos steht indes im Vordergrund. Die Abfolge der Bilder ist chronologisch, die besonders produktiven Phasen im Frühjahr 1970 und im Jahr 1971 sind durch die Hängung sofort erkennbar. Bereits hochaltrig war Picasso am Puls der Zeit und machte kulturgeschichtliche Rückgriffe.
Inspiriert durch Degas
Inspirationsquelle waren die Bilder Edgar Degas, der bereits während des Impressionismus ungeschönt, aber fernab von Voyeurismus Frauen, die in der bürgerlichen Gesellschaft damals als Huren galten, bildwürdig machte. Er erhob sie zur Kunst. Picasso greift das auf, feiert mit ihnen auf den Bildern Namenstag, zeigt eine „Bordellwirtin als Engelmacherin“.
Die Ausstellung nimmt Bezug auf den Todestag des Künstlers, der sich zum 50. Mal jährt, und den Museen unter dem Titel „The Picasso Celebration 1973 –2023“ in Europa und den USA aufgreifen. Mit 800 Arbeiten hat das Museum Ludwig hinter Paris und Barcelona die drittgrößte Picassosammlung weltweit.
Bis 4. Februar, Di bis So 10 - 18 Uhr, Bischofsgartenstr. 1
Die afghanische Künstlerin Kubra Khademi studierte Bildende Kunst an der Universität Kabul, bevor sie an die Beaconhouse University in Lahore, Pakistan, wechselte. Dort begann sie, öffentliche Performances zu kreieren, eine Praxis, die sie nach ihrer Rückkehr nach Kabul fortsetzte, als Reaktion auf eine von Männern dominierte Gesellschaft mit extremer patriarchalischer Politik.
Nach der Ausführung ihrer Performance „Armor“ im Jahr 2015 war sie gezwungen, aus dem Land zu fliehen. Sie flüchtete nach Frankreich und erhielt 2020 die französische Staatsbürgerschaft. Heute lebt und arbeitet sie in Paris. Ihre Arbeiten werden an vielen Orten präsentiert, darunter die Mill6 Foundation (Hongkong), die Kunsthalle Dessau oder die Collection Lambert (Avignon).
Bis 6. Dezmber zeigt die Galerie Martin Kudlek ihre Arbeiten Di bis Fr 12 -16 Uhr, Sa 12 - 16 Uhr, Schaafenstr. 25.