Der Comiczeichner LUZ stellt im Museum Ludwig seine Graphic Novel über Otto Müllers „Zwei weibliche Halbakte“ vor.
Ausstellung im Museum LudwigGraphic Novel zu Otto Müllers „Zwei weibliche Halbakte“

Der französische Karikaturist Luz bei der Vorstellung seines Comics ´Zwei weibliche Halbakte» vor dem gleichnamigen Bild im Museum Ludwig.
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„Das Bild hat zufällig überlebt, wie auch LUZ“, sagt Rita Kersting, stellvertretende Direktorin des Museum Ludwig. Mit dem Bild meint sie Otto Müllers „Zwei weibliche Halbakte“. Interessant ist der Zusatz. Denn LUZ ist das Kürzel für den 53-jährigen französischen Zeichner Rénald Luzier, der 23 Jahre für das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ arbeitete und dem islamistischen Massaker an den Redakteuren des Magazins am 7. Januar 2015 in Paris nur deshalb entging, weil er sich an diesem Morgen nach einer langen Geburtstagsfeier verschlafen hatte.
Im Museum Ludwig, wo Müllers Bild im Rahmen der Sammlung Haubrich zu sehen ist, stellte LUZ jetzt seine Graphic Novel „Zwei weibliche Halbakte“ vor. Und das sichtlich gut gelaunt. Schon unter Menschen zu sein, belebt den Franzosen, der seit dem Anschlag mit Polizeischutz leben muss.
Graphic Novel erzählt Geschichte des Bildes
Sein Buch erzählt die Geschichte des Bildes, das 1920 entstand und von Müller 1925 an den jüdischen Anwalt Ismar Littmann verkauft wurde. Littmann nahm sich angesichts der Repressionen durch die Nazis 1934 das Leben. Das Bild wurde von der Gestapo konfisziert und 1942 von Hildebrand Gurlitt an Josef Haubrich verkauft, der es nach dem Kriege der Stadt Köln schenkte. 1999 kommt es zu einer für alle Seiten geglückten Restitution an Ruth Haller, der Tochter Ismar Littmanns.
Angela Spizig, ehemalige Bürgermeisterin der Stadt Köln fungierte, bei Luz’ Besuch im Museum als Übersetzerin aus dem Französischen. Auch hier schließt sich ein Kreis, hatte sie doch damals noch als politischer Frischling in ihrer erst zweiten Ratssitzung für die Restitution stimmen können.
Riesenerfolg bei Lesern in Frankreich
Aber wen interessiert diese Geschichte über Köln hinaus? Viele Leserinnen und Leser in Frankreich, denn dort war der Graphic Novel nach ihrem Erschienen im letzten Jahr ein Riesenerfolg beschieden und LUZ gewann mit ihr sogar in Angoulême den Fauve D’Or, die bedeutendste europäische Auszeichnung für Comics. Das liegt auch an der genialen Idee des Zeichners die Geschichte aus der Perspektive des Bildes zu erzählen.
So beginnt das Buch mit Sprechblasen. Während wir dem Dialog zwischen Müller und seiner Frau Maschka lauschen, die ihm Modell steht, entwickelt sich das Bild erst. Wir erleben Müllers Affären und seine Typhuserkrankung, das Drama des jüdischen Sammlers Littmann, die von Goebbels initiierte Ausstellung „Entartete Kunst“ in München und den Weg des Bildes nach Köln, bis hin zu jenem Platz, an dem es nun hängt. Und wo sich auch Luz neben dem Gemälde ablichten ließ.
Wobei im Buch die Perspektiven wechseln, denn mal wird das Bild getragen, gefahren, verpackt oder es steht auf dem Boden. Es ist weniger das Werk selbst als der kommerzielle und politische Umgang mit der Kunst, der hier in satirisch-pointierten Bildfolgen als historisches Panorama vor unseren Augen abläuft.
Bild entdeckt in Ausstellung „Entartete Kunst“ in München
Warum vermochte gerade dieses Bild LUZ so zu faszinieren? „Otto Müller war gelernter Kupferstecher, und ich empfand eine künstlerische Verwandtschaft mit ihm, denn auch er arbeitete mit scharfen Konturen“, erklärt der Franzose. Müller verband Beobachtung mit Emotion. Die beiden Frauen strahlen geballtes Selbstbewusstsein aus. Vom gestrengen Blick über die geschlossenen Münder bis zu den hoch sitzenden Brüsten begegnen sie stolz den auf sie gerichteten Blicken.
Ein Bild, vor dem man in Deckung gehen kann. „Es ist für mich wie eine Person, mit der ich durch die Zeiten gehe“ sagt LUZ, dem die Halbakte auffielen, als er Fotografien der Münchener Ausstellung „Entartete Kunst“ sah. „Dort hing das Bild immer auf Kinderhöhe, und ich habe mich gefragt, wie Kinder darauf wohl reagieren würden“, erklärt LUZ.
Tatsächlich fragt die kleine Tochter Ruth Littmann ihren Vater, was denn Erotik sei. Eine Frage, die wie eine Klammer am Ende der Geschichte wieder auftaucht. LUZ arbeitete subtil mit Details, so dass der Blick durch Räume und Fenster auf das Geschehen draußen in der Welt fällt. Während er Verfolgung und Gewalt während der Nazi-Diktatur zeichnete, bemerkte LUZ erst im Nachhinein, wie aktuell diese Szenen wieder geworden sind.
Das Buch
Die Graphic Novel „Zwei weibliche Halbakte“ von LUZ ist im Verlag Reprodukt erschienen (192 S., 29 Euro). Aus dem Französischen wurde sie von Lilian Pithan übertragen. Ein erfreulich umfangreicher Anhang klärt über die Personen und Fakten auf und zeichnet das Schicksal von Otto Müllers Gemäldes noch einmal präzise nach.