Deutschland hat sich nach langem Zögern dazu entschieden, nun doch Panzer an die Ukraine zu liefern. In der Dienstagabend-Ausgabe von „Markus Lanz“ wurde dieser Schritt diskutiert. Schwerpunkt der Sendung war außerdem die permanente Drohung Russlands mit einem Atomkrieg.
Zu Gast im ZDF-Talk sprachen darüber der CDU-Politiker und Bundeswehroberst a.D., Roderich Kiesewetter, die „Zeit“-Autorin Olivia Kortas sowie Ulf Röller, Leiter des ZDF-Studios Ostasien, und RND-Politexpertin Krtistina Dunz.
Dunz zeigt kein Verständnis für Kommunikationsstrategie der Bundesregierung
Die stellvertretende Leiterin der Hauptstadtredaktion des Redaktionsnetzwerks Deutschland prangerte in puncto Waffenlieferung vor allem die Kommunikation der Bundesregierung an.
„Diese Kommunikation halte ich für desaströs. Man versucht zu verstehen, was dahinter steht, in welcher Gefahr Deutschland ist, dass man diese Panzer nicht liefern kann. Und jetzt fallen diese Steine, einer nach dem anderen“, so Dunz.
Die zunächst angeführte Argumentation, weder aus militärischen noch aus Industriebeständen schwere Waffen liefern zu können, sei vor dem Hintergrund der nun doch angekündigten Panzer-Lieferungen ein Desaster. Der Richtungswechsel kommt ihrer Meinung nach viel zu spät und „hätte vor einer Woche kommen müssen — da wäre viel an Irritation nicht entstanden“, sagte die RND-Redakteurin.
Polen fürchtet Angriff Russlands und ist von Deutschland enttäuscht
Dass Deutschlands zögerlicher Kurs auch in Polen nicht besonders gut ankommt, bestätigte Olivia Portas. Die Erwartungen an Deutschland seien dort sehr hoch gewesen, bislang aber enttäuscht worden.
Erst gestern hatte der polnische Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sek den Entschluss der Bundesregierung für Panzerlieferungen als unzureichend kritisiert. Die Angst im Nachbarstaat Deutschlands und der Ukraine ist hoch, dass Putin nach der Ukraine möglicherweise auch Polen angreifen will.
Kiesewetter kritisiert eigene Partei wegen Russland-Politik
Auch CDU-Politiker und Bundeswehroberst a.D. Roderich Kiesewetter beschäftigte sich bei Lanz mit der Frage, warum Deutschlands Russland-Kurs von vielen als zu zögerlich und misslungen angesehen wird. Er gestand ein, dass auch seine Partei eine Mitschuld daran trage, als Beispiel nannte er die Errichtung von Nord Stream 2, die von der CDU unterstützt wurde.
„Die Kritik in den eigenen Reihen war da. In der Außenpolitik, in der Verteidigungspolitik. Aber die Mehrheit war dafür“, so Kiesewetter. Einigkeit bestand bei ihm und Dunz darüber, dass Deutschland Putin viele Jahre unterschätzt habe. Zwar habe es vereinzelt Kritik am russischen Präsidenten gegeben, so Dunz, aber „es ist nicht so, dass da einer aufgestanden wäre und gesagt hätte: Wir müssen das stoppen.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Darin sieht auch Kiesewetter das Problem. Merkel habe auf Diplomatie gepocht, während die USA schon 2014 eine Aufrüstung der Ukraine angestrebt hätten. „Beides wäre richtig gewesen: Diplomatie und Hard Power. Aber wir waren zu schwach. Wir haben keine Hard Power gezeigt. Das hat zu den riesigen Besorgnissen in der Ukraine geführt — und hat Putin so sicher gemacht, dass wir die Ukraine nicht unterstützen werden“, so der Militärexperte.
Gäste bei Lanz diskutieren die reale Gefahr eines Atomkriegs
Sorgen bereiten Markus Lanz‘ Gästen an diesem Abend aber nicht nur die Fehler der Vergangenheit, sondern auch die mögliche Gefahr eines russischen Atomangriffs, mit dem die Machthaber im Kreml immer wieder kokettieren. Bei Kristina Dunz seien nach dem Pressestatement von Olaf Scholz vor einigen Tagen die Alarmglocken angegangen, als der Kanzler die ausbleibenden Waffenlieferungen mit einem drohenden dritten Weltkrieg begründete.
„Für mich gibt es nur zwei Erklärungen: Entweder, er hat die Nerven verloren, dass er so etwas sagt – denn damit verängstigt er einen Teil der Bevölkerung. Oder hat in Telefongesprächen mit Putin gehört, dass der mit einem Atomschlag droht. Wahrscheinlich wird es einen Grund gehabt haben“, vermutet Dunz, die selbst dahingehende Informationen erhalten habe.
Kiesewetter: Kein Nato-Gegenschlag bei Atomwaffeneinsatz in der Ukraine
Doch wie würde Deutschland auf einen möglichen Einsatz von atomaren Waffen reagieren. Militärexperte Kieswetter gehe davon aus, dass die Nato im Falle des Einsatzes einer taktischen Atombombe auf ukrainischem Boden nicht mit einem Gegenschlag antworten würde. Deswegen könne ein solcher Schritt Putins auch nicht ausgeschlossen werden, „weil er genau weiß, die NATO hat den Einsatz von Atomwaffen ausgeschlossen — und weil er deutlich gesagt hat, dass er in der Ukraine operieren will.“ Es gelte der Grundsatz: „Wir müssen an das Schlimmste denken, um es zu verhindern.“
Der Oberst a.D. wurde bei seiner Einschätzung der Lage im Anschluss sehr konkret: „Das Ziel von Putin ist die Auflösung der Ukraine“, so Kiesewetter, der ausführte, dass Putin „alles tun“ werde, „um diesen Krieg zu Ende zu bringen. Bis zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen, wenn er das als nötig sieht.“