Im Literarischen Salon ist Navid Kermani im Gespräch mit Dima Wannous.
lit.CologneDima Wannous spricht über ihre Zeit als Aktivistin während Assad

Dima Wannous, Schriftstellerin aus Syrien, spricht bei der Lit.Cologne.
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Das einstige Prachthotel ist verlottert. Handtücher und Vorhänge stinken nach Staub und Zigarettenrauch, im Bad tobt der Schimmel. Das Personal spitzt noch immer die Ohren, kennt Daten und Zimmernummern zu jedem Gast. Das beklemmende Gefühl, bespitzelt zu werden, lässt sich nicht ausblenden. Auch wenn die Wände nun, nach dem überraschenden Sturz des verhassten Diktators Bashar al-Assad Ende 2024, eigentlich „keine Ohren“ mehr haben sollten.
14 Millionen Flüchtlinge
Die Eindrücke aus ihrem Heimatland Syrien, die die Schriftstellerin Dima Wannous bei ihrer Rückkehr nach Damaskus Ende Januar niederschmetterten, krank machten, die Kraft raubten, sind noch ganz frisch. Sie kehrte wieder nach London zurück. Kurz darauf war sie erneut in Syrien. Langsam erhalte sie wieder einen Bezug, werde optimistischer, sagte die 1982 in Damaskus Geborene im Literarischen Salon.
Sie war für die erkrankte Samar Yazbek eingesprungen. Unter dem Titel „Was nun in Syrien?“ moderierte der Kölner Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani im Rahmen der lit.Cologne. Auf seine Frage, ob sie glaube, dass viele der 14 Millionen Flüchtlinge nach Syrien zurückkehren werden, verneinte Wannous. Noch am Morgen habe sie mit einer 19-jährigen Syrerin gesprochen, die zum Personal ihres Kölner Hotels gehörte, und die 2015 mit ihrer Familie geflüchtet war. Sie spreche vorwiegend Deutsch, sei hier angekommen. „Je besser man integriert ist, desto schwieriger ist es, nach Syrien zu gehen. Es wäre ein erneuter Weggang“, sagt Wannous.
Sie musste 2011 nach Beirut flüchten, nachdem sie von März bis September während der Revolution als Aktivistin an Demonstrationen teilgenommen hatte. Sie erhielt Drohungen vom Geheimdienst, ihr kleiner Sohn wurde bedroht.
Im Exil wurde sie zu einer der wichtigsten Stimmen Syriens – mit Büchern wie „Dunkle Wolken über Damaskus“ oder „Die Verängstigten“. Ihre jüngsten Reportagen veröffentlichte sie in der Neuen Zürcher Zeitung.
Massaker an Alawiten
Daraus las Anja Laïs vom Schauspiel. Beklemmend sind die Schilderungen eines Landes, über das Wannous einmal sagte, dass es zu einer einzigen Psychiatrie verkomme. Als Tochter des regimekritischen bekannten syrischen Dramatikers Saadallah Wannous lebte sie schon als Kind in ständiger Angst, dass die Familie in Gefahr gerate. Diese gehört den Alawiten an, ist in sich gespalten, war überwiegend loyal gegenüber Assad.
Ein Schauder ging durch das Publikum im Stadtgarten, als Larissa Bender, die Wannous Bücher ins Deutsche übersetzte, auf dem Podium wiedergab, was eine Nichte der Schriftstellerin in den Sozialen Medien veröffentlicht hatte: „Ich will Dich vor den Augen Deines Sohnes umbringen, vergewaltigen, damit Dein Sohn mit diesen Bildern leben muss.“
Massaker an Alawiten sorgten in der vergangenen Woche in Syrien für Unruhe. Nach Ansicht Wannous ist es aber noch zu früh, darüber zu urteilen, es müsse erst alles untersucht werden. Dass Iran oder Russland dahinterstecken, die das neue demokratische Projekt nicht wollten, sei nicht auszuschließen.