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KunstpalastElias Sime zeigt in Düsseldorf einen Kosmos aus Kabeln

Lesezeit 4 Minuten
„Tightrope: Behind the Process“ von Elias Sime im Düsseldorfer Kunstpalast

„Tightrope: Behind the Process“ von Elias Sime im Düsseldorfer Kunstpalast

Der Düsseldorfer Kunstpalast zeigt 36 Arbeiten des äthiopischen Künstlers Elias Sime.

Das Material, das der äthiopische Künstler Elias Sime verwendet, ging schon durch viele Hände, ist weltumspannend. Platinen, Kabel, Tastaturen oder Batterien erhalten bei dem 56-Jährigen ein neues Eigenleben. Es als Elektroschrott oder gar Abfall zu bezeichnen, ist ihm zu profan. Er will das Augenmerk auf das Gemeinsame, das Berührende richten.

Akribisch und kleinteilig

Und wenn er mitunter Jahre braucht, um die feinen Kabel aus ausrangierten Computern in bestimmten Farbtönen zu sammeln und zu sortieren, was den Hauptteil seiner Arbeit ausmacht, dann wird die Geduld durch ein atemberaubendes Bild entschädigt.

Gut 36 Arbeiten zeigt der Düsseldorfer Kunstpalast nun unter dem Titel „Echo“. Es sind meist großformatige Reliefs, die Sime mit seinen Mitarbeitern akribisch und kleinteilig auf dem Boden anordnete. An der Wand wirken die Tafeln wie Landschaften aus der Vogelperspektive, von Meer umspülte Stadtsilhouetten oder wie eine Menge Kabelmagma, das „Liebe“ beschreibt.

Kuratorin Felicity Korn hob sein „unglaubliches Gespür für die Linienführung“ hervor. Wie Lebensadern ziehen rote, verflochtene Kabelstränge durch satte grüne Landschaften. Alltagsmaterialien werden verwebt, geschichtet und gefügt. Zusammen wachsen sie zu einer lyrischen, abstrakten Komposition. Sie deuten Topografie, Figuration und Farbfelder an, die auf die Betrachter eine Sogwirkung ausüben.

Globales steht in Simes Arbeiten häufig den lokalen Aspekten gegenüber. Immer und überall übt aber die Technik Einfluss auf das Leben. „Echo“ wiederum steht für den Widerhall, für das Gemeinsame. Denn es brauche mindestens zwei Hände, um zu klatschen. Je mehr Hände es seien, desto mitreißender das Geräusch, erklärte Sime gestern bei der Vorstellung seiner Schau, bei der es sich um die erste Einzelausstellung im deutschsprachigen Raum handelt.

Internationale Präsenz

Ausstellungen im New Yorker Metropolitan Museum oder dem Israel Museum in Jerusalem zeugen von seiner internationalen Präsenz, 2022 nahm er an der Biennale in Venedig teil. Über 20 Jahre arbeitet Sime mit der Anthropologin Meskerem Assegued zusammen, reiste mit ihr durch die Dörfer Äthiopiens, um alte Rituale zu erforschen. Dabei sammelten sie Geschichten und Objekte ebenso wie das Wissen über volkstümliche Bautechniken.

Im Künstlerdorf Zoma bauten sie eine wie organisch gewachsene Siedlung aus Lehm und Stroh, integrierten dort ein Museum, das Atelier sowie eine Schule. Anthroposophisch wirken die Bilder und Filme über das Projekt in einem Park in Simes Heimatstadt Addis Abeba. Auf ungewöhnliche Weise verbindet er dort uralte Rituale mit einer hochmodernen Technologiegeschichte.

Das elektronische Material, das er seit Anfang des Jahrtausends in Collagen verarbeite, unterliege einem raschen Wandel, erklärte er. Lehmbauten, die lange das Bild Äthiopiens bestimmten, würden durch Betonbauten abgelöst. Doch Sime hält Lehm für den Baustoff der Zukunft. Er reguliere Temperaturschwankungen von selbst, ersetze die Klimaanlage. Sime wirft globale Gegenwartsfragen auf, die die gesamte Spezies Mensch und das Konsumverhalten aufgreifen. Und er zeigt einen Gegenentwurf auf.

Die 36 in Düsseldorf gezeigten Werke stammen aus unterschiedlichen Sammlungen, folgen in einer chronologischen Ordnung ab dem Jahr 2001 aufeinander. Damals entstanden mosaikartige Bilder aus Knöpfen, Schlüsseln oder Schlössern. Zur eigenen Ausdrucksform fand Elias Sime 2009, als er mit der bis heute fortgeführten Serie „Tightrope“(Drahtseil) begann.

Wie Felicity Korn erläutert, steht dieses sinnbildlich für „ständige Spannung und das Austarieren. Es schwebt und bringt Wagnis und Ungewisses mit sich.“ Gleichsam stehe es als Teil eines Ganzen für die Spuren, die die Zivilisation hinterlasse und gebe Impulse zu mehr Nachhaltigkeit.


In Addis Abeba wurde Elias Sime 1968 geboren und studierte dort Grafik und Design. Anschließend begann er mit Materialassemblagen zu experimentieren und finanzierte sich durch den Verkauf kleiner Holzskulpturen. 2002 gründete er gemeinsam mit Meskerem Assegued das Zoma Contemporary Art Center in Addis Abeba. Seine Werke fußen auf Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter.

Daher gibt es auch im Kunstpalast einen Raum, in dem sonntags zwischen 13 und 17 Uhr dazu eingeladen wird, mit Materialen und Techniken des Künstlers zu experimentieren. Das Museumsteam bietet zudem ein Begleitprogramm mit Vorträgen, Taschenlampenführungen und Workshops an. Bis 1. Juni, Di bis So 11 – 18 Uhr, Ehrenhof 4-5. www.kunstpalast.de