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Kritik zu „Tristan und Isolde“Liebende in getrennten Sphären

Lesezeit 3 Minuten
Tristan und Isolde

Isolde (Ingela Brimberg) und Tristan (Peter Seiffert) reisen in ge­trenn­ten Kabinen.

  1. Patrick Kinmonth inszeniert Richard Wagners „Tristan und Isolde“ an der Oper Köln.
  2. Großen Applaus gibt es für die musikalische Seite.
  3. Im zweiten Akt werden fast alle Grenzen aufgehoben.

Köln – Im zweiten Akt von „Tristan und Isolde“ werden fast alle Grenzen aufgehoben: Zeit und Raum, Leben und Tod, Tag und Nacht, Ich und Du: „Du Isolde, Tristan ich, nicht mehr Isolde“, singt Isolde, „Du Tristan, Isolde ich, nicht mehr Tristan“, ihr Geliebter.

In der Kölner Neuinszenierung der Wagner Oper durch den britisch-irischen Regisseur Patrick Kinmonth verschmelzen die Liebenden zur rauschhaft sich steigernden Musik nicht in heftigem Verlangen, sondern befinden sich sogar an unterschiedlichen Orten. Während Isolde in einer Schiffskabine ausharrt, sieht man Tristan sich auf einem Felsenhügel nach ihr verzehren.

Nur in ihren Köpfen

Wirklich zusammen sind beide nur in ihren Köpfen, in ihren Gedanken und Gefühlen. Damit überträgt Kinmonth das Ende der Oper, wenn der verwundete Tristan stirbt, ohne Isolde noch einmal gesehen zu haben, und die zu spät Eintreffende an der Seite des Leichnams im „Liebestod“ ihre Seele aushaucht, auf die gesamte Erzählung. Nur „dann, wenn man alleine ist, ist man frei“, zitiert Kinmonth im Programmheft Arthur Schopenhauer, dessen philosophische Ideen von der Verneinung des Willens zum Leben einen tiefen Einfluss auf Wagners „Tristan“ ausübten.

Die Bühne von Darko Pretrovic unterstützt die Idee der Entgrenzung klug. Zwischen Publikum und Bühne erheben sich pyramidenartig stilisierte Wellen, meist als Projektionsfläche für eine Videoinstallation. Über dem Orchester, das hinter den Wellen zu sehen ist, sind vier fast identische, karg möblierte Schiffskabinen aufgebaut. Wenn Tristan und Isolde den Liebestrank zu sich nehmen, befinden sie sich zwar nicht im selben Raum, aber doch im gleichen. Das Paar sieht sich nicht, es kann sich nur ahnen.

Überflüssige Zutat

Leider traut Kinmonth seiner radikalen Idee nicht so ganz und sucht sie durch allerlei szenischen Firlefanz zu verrätseln. Gelegentlich schreitet eine Gruppe Männer durchs Bild, die in einer pantomimischen Choreografie etwa eine Jagd oder einen Mord andeuten. Eine überflüssige Zutat.

Überzeugender hingegen, wenn Doubles der Protagonisten unterschiedlichen Alters auftauchen. Nach Tristans Tod verwandelt sich der vom 65-jährigen Tenor Peter Seiffert dargestellte Titelheld in einen sehr jungen Mann. Dass Seiffert ein mittlerweile etwas in die Jahre gekommener Sänger ist, muss Kinmonth also szenisch gar nicht kaschieren.

Stimmlich eine Wucht

Stimmlich ist Seiffert immer noch eine Wucht. Er bringt nicht nur Kraft und Ausdauer für die mörderische Partie mit, sondern weiß auch sehr genau zu phrasieren, Dynamik und Ausdruck kontrolliert einzusetzen. Daneben ist Ingela Brimberg eine ebenbürtige Isolde. Ihre Stimme leuchtet und blüht auf, klingt auch in der Höhe nie schrill. Sie fesselt im unendlichen Dialog des zweiten Akts ebenso wie im einsamen Liebestod. Als ihre Dienerin Brangäne ist Claudia Mahnke mit schönen Mezzofarben ideal besetzt. Samuel Youn gibt mit festem Bass-Bariton den Kurwenal. John Heuzenroeder zeichnet den Melot mit durchaus differenzierenden stimmlichen Mitteln als gefährlichen Gegner. Young Woo Kim (Hirt), Insik Choi (Steuermann) sowie der von Rustam Samedov einstudierte Chor runden das vokale Bild der Produktion bestens ab.

Eine wirklich großartige Leistung vollbringen Dirigent François-Xavier Roth und das Gürzenich-Orchester. Sie lassen die Musik während der inklusive zweier Pausen fünfstündigen Aufführung atmen, schaffen einen nie nachlassenden Spannungsbogen mit vielen emotionalen Höhepunkten.Besonders eindrucksvoll: Das im Raum umherwandernde Englischhorn-Solo zu Beginn des Schlussaktes: Auch da erlebt man eine räumliche Entgrenzung. Großer Applaus für die musikalische Seite, in den Beifall fürs Regieteam mischten sich auch ein paar Buhs.

Nächste Termine: 28.9., 3., 6., 11., 13.10., unterschiedliche Zeiten.Karten-Tel.: 0221/ 221 28400.

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