Konzert in Kölner PhilharmonieWie ein Dirigent sein großes Talent vor die Wand fährt
Köln – Der Philosoph und Soziologe Theodor W. Adorno erzählt die schöne Geschichte von einer feinen Dame, die im Konzert ihre Nachbarin bittet, sie doch aufzuwecken, wenn der Pianist da vorne „zu faszinieren beginne“. Wann hätte man die Nachbarin angestupst, hätte sie Klaus Mäkelä gehört, wie er das Concertgebouw-Orchester durch Mahlers Sechste dirigiert? Vielleicht einmal ganz leicht im langsamen zweiten Satz?
Eine höhere Messlatte hätte es kaum geben können
Sie wäre ganz sicher am Ende von allein aufgewacht, so lautstark brauste der Jubel in der Philharmonie, mit Standing Ovations vor allem im teuren Mittelblock, wo man allerdings immer sehr bereit ist, sich faszinieren zu lassen. Zumal offenbar ein ganzer Fanclub aus der Heimat mitgereist war, zum zweitägigen Gastspiel des Spitzenensembles aus Amsterdam.
Der Kollege von der FAZ hatte indes gewarnt und über den Tourneeauftakt in Berlin von einem „Desaster“ geschrieben. Doch wir haben die Warnung gerne ignoriert und hätten den 26-jährigen Jungstar aus Finnland am liebsten als Sieger aus diesem schweren Kampf hervor gehen sehen: Denn höher kann man die Messlatte als Dirigent nicht legen als mit Mahlers „tragischer“ Sechster.
Gepresst, schrill und kalt klingt das Orchester
Und wir haben uns die Hoffnung noch eine Weile warm gehalten, selbst, als nach kurzer Zeit schon der erste Satz verloren ging: Gleich in den ersten Takten war das Orchester am Anschlag, klang gepresst und schrill und kalt, ohne weiteren dynamischen Spielraum. Der Atem reichte kaum über mehr als ein paar Takte, die Bewegungen ruckelten von Moment zu Moment, Phrasen blieben unverbunden und schwach in ihrer Kontur, und nirgends schien eine Perspektive auf, wie Mäkelä diesen Koloss des Weltschmerzes über ein Dauern von beinahe anderthalb Stunden bringen wollte.
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Und natürlich denkt man die ganze Zeit an die große Mahler-Tradition gerade dieses Orchesters und fragt sich, wie die Kultur „des kleinsten Übergangs“, so hat sie Adorno einmal genannt, doch so schnell verloren gehen kann.
Ums kurz zu machen: Es wurde nicht besser. Immer wieder berührende Augenblicke (das Horn-Solo im Andante von Katy Wooly) und aufblitzende Klasse. Aber schlussendlich überwiegt der Ärger, dass man hier – offenbar aus Gründen des Marketings – einen sehr jungen, zweifellos hochbegabten Dirigenten nicht davon abhält, sein großes Talent viel zu früh vor die Wand zu fahren.