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Kölner PremiereErsan Mondtag inszeniert „Die Verdammten“

Lesezeit 3 Minuten
die verdammten

Sohn Martin (Ines Marie Westernströer, Mitte oben) bedrängt Sophie (Yvon Jansen) in „Die Verdammten“.

  1. Erzählt wird die Verfallsgeschichte einer Fabrikantensippe, die sich aus Profitgier mit dem NS-Regime einlässt.
  2. Das Stück basiert auf Luchino Viscontis Filmklassiker „Die Verdammten".
  3. Unser Autor war bei der Premiere in Köln.

Köln – Deutschland – ein Nazi-Wintermärchen. Leise rieselt der Schnee in die ruinöse Villa der Stahlmagnatenfamilie von Essenbeck. Eine düstere Holztreppe umzingelt den entkernten Salon samt großem Kinderfoto von Adolf Hitler, davor liegen reglos jene anonymen Gestalten, die das große Sterben vorwegnehmen.

Wenn Regisseur und Bühnenbildner Ersan Mondtag in diesem tannengesäumten Anti-Idyll „Die Verdammten“ nach Luchino Viscontis Film von 1969 inszeniert, zerstreut er im Depot 1 von Schauspiel Köln jeden Verdacht auf artiges Epigonentum. Ließ der Italiener kochende Metallströme und das reichlich vergossene Blut leuchten, so sieht man hier vor allem eine eisige Hölle.

Hyänen unter dem Hakenkreuz

Als Firmenchef Joachim von Essenbeck (Margot Gödrös) in der Nacht des Reichstagsbrands von 1933 beschließt, mit den verachteten Nazis des Rüstungsgeschäfts zuliebe zu paktieren, rettet er damit nicht einmal seinen eigenen Kopf. Und er stürzt die ohnehin von Pädophilie, Inzest, Hass und Gier zerfressene Sippe in eine mörderische Zerreißprobe. Bald sind all die Hochwohlgeborenen nur noch Hyänen unter dem Hakenkreuz, wobei Obersturmbannführer von Aschenbach über Karriere, Leben und Tod entscheidet.

Visconti erzählte die auf die Krupp-Dynastie zielende Verfallstragödie in opernhafter Breite und mit morbider Grandezza. Mondtag hingegen nimmt einige dramaturgisch sinnvolle Abkürzungen, reduziert aber vor allem die Fallhöhe des Personals drastisch.

Auf einen Blick

Das Stück: Erzählt wird die Verfallsgeschichte einer Fabrikantensippe, die sich aus Profitgier mit dem NS-Regime einlässt.

Die Inszenierung: Ersan Mondtag drückt in eindrucksvollem Bühnenbild leider die Fallhöhe der Figuren gegen Null.

Das Ensemble: Diesmal mit sehr unterschiedlichen Leistungen.

Dazu tragen nicht unerheblich Teresa Verghos aufgeschrillten Witzfigurenkostüme bei. Gar nicht so einfach etwa für Benjamin Höppner, seinem SA-Mann Konstantin von Essenbeck mit grotesk ausgepolstertem Strampelanzug in Schweinchenrosa dennoch furchterregende Vierschrötigkeit zu geben. Elias Reichert wiederum muss derart fahrig herumzappeln, dass man ihm den Stahlwerkdirektor und Doppelmörder Bruckmann keine Sekunde lang glaubt. So sinkt die Götterdämmerung der gewissenlosen Großindustrie auf Geisterbahnniveau.

Gewisser Gruselfaktor

Immerhin bleibt der mit seinen Masken an Zombies oder Lemuren erinnernde Chor stets ein unberechenbarer Gruselfaktor, und das Totentanzmotiv wird auch mit fremden Texten sprachschön durchdekliniert. So zitiert Gödrös beim Ableben des Patriarchen Joachim die kaiserlichen Schlussworte aus Joseph Roths „Radetzkymarsch“, und auch Leihgaben aus Tristans Liebestod sowie den „Buddenbrooks“ sind hier hochwillkommen. Diese poetische Garnitur täuscht aber nicht über die leere Mitte hinweg. Während der Massenmord an führenden SA-Männern in Bad Wiessee zum Episödchen geschrumpft wird, schießt man lieber gleich zwei Mal einen großen schwarzen Vogel vom Himmel. Knalleffekt schlägt große Geschichte.

Auch den mimischen Vergleich mit dem Kino verliert das Theater hier schmerzhaft deutlich. Auf der Leinwand servierte Helmut Griem den Sadismus des SS-Strategen von Aschenbach mit stahlblauem Blick on the rocks – dagegen bleibt Nicolas Lehni trotz erdbeerfarbener Lederjacke blass.

Androgyne Playboy-Attitüde

Auf noch verlorenerem Posten steht aber Ines Marie Westernströer als Martin. Diesen perversen Jungerben verkörperte Helmut Berger (wohl in Anspielung auf Arndt von Bohlen und Halbach) mit androgyner Playboy-Attitüde, durch die aber stets dämonische Machtgier schimmerte.

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Hier dagegen wird nie ganz klar, wie der höchstens zickige Knabe seine hassgeliebte Mutter Sophie – hart wie Kruppstahl und Glanzlicht des Abends: Yvon Jansen – in die Knie und den Doppelselbstmord mit Bruckmann zwingt. Wobei auch diese letzten Zuckungen eher grotesk als tragisch wirken. Mäßiger Beifall.

130 Minuten ohne Pause. Nächste Termine: 10., 13., 18.12., jeweils 19.30 Uhr.; 26.12., 18 Uhr. Karten-Tel.: (0221) 221 28400.