Am Freitag, 24. Januar, beginnt die 27. Ausgabe des Dokumentarfilm-Festivals Stranger Than Fiction in Köln und anderen Städten in NRW. Wir haben uns einige Beiträge vorab angesehen.
In Köln und NRWDas bietet das Dokumentarfilmfestival „Stranger Than Fiction“
Im Schatten der Träume
Nicht jedes erfolgreiche Arbeitstandem ist auch privat verbunden. Oder wohnt sogar über lange Jahre, wenn auch in getrennten Wohnungen, in einem Haus. Anders Michael Jary und Bruno Balz. Der Komponist und der Texter schufen gemeinsam unzählige Lieder, viele davon Evergreens – und viele davon während des Dritten Reichs für Zarah Leander-Filme: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ oder auch „Davon geht die Welt nicht unter“. Und Jary riskierte sogar sein Leben, als er den schwulen Balz aus der Gestapo-Haft holte. Martin Wirtz kombiniert Filmausschnitte und Interviews mit klugen musikalischen Analysen von Götz Alsmann, der erklärt, warum diese Lieder die Zeiten überdauerten. (HLL)
Filmforum NRW, 31.1.,20 Uhr, in Anwesenheit von Regisseur Martin Witz und Götz Alsmann.
Ein Tag ohne Frauen
„Wir wagen, wir werden, wir können!“ Das singen die isländischen Frauen, als sie am 24. Oktober 1975 kollektiv in den Streik treten — sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz. Sie kämpfen für rechtliche und soziale Gleichstellung und zeigen den Männern, die selbst mit Kaffee kochen und Windeln wechseln völlig überfordert sind, dass das Land ohne die oft übersehene Arbeit der weiblichen Bevölkerung zusammenbricht.
In dieser Dokumentation von Pamela Hogan kommen Frauen zu Wort, die damals am langen Kampf um Gleichberechtigung beteiligt waren — das macht Gänsehaut beim Anschauen. Zwischendurch gibt es als Bonus noch wunderschöne Landschaftsaufnahmen von Island. Sehr sehenswert! (crb)
Filmhaus, 27.1., 18 Uhr
Der dritte Bruder
Regisseurin Kathrin Jahrreiß begibt sich auf Spurensuche, um ihre Familiengeschichte besser zu verstehen. Ihr Großvater und seine beiden Brüder schlagen während der Naziherrschaft unterschiedliche Wege ein: einer wandert in die USA aus, einer bleibt in Deutschland und versucht vergebens, seine jüdische Ehefrau zu retten, einer macht sogar Karriere im „Dritten Reich“. Auch ihr weiteres Schicksal ist eng mit der deutsch-deutschen Geschichte verknüpft. Kathrin Jahrreiß' Weg führt sie auch nach Köln. Eindringlich und berührend. (crb)
Filmhaus, 27.1., 20 Uhr, in Anwesenheit der Regisseurin.
Besuch im Bubenland
Eine Frau fährt durch das malerische Burgenland, hält hier und da, spricht mit Männern, die sie scheinbar zufällig trifft, und filmt sie dabei mit dem Handy. Aus diesem schlichten Konzept werden bei Katrin Schlösser spannende anderthalb Stunden. Denn die Regisseurin erzeugt eine so entspannte Atmosphäre, dass die gestandenen Mannsbilder verschiedener Generationen mit verblüffender Offenheit über ihr Leben sprechen. So wie man sich manchmal eher einem Fremden öffnet als dem engeren Umfeld. Da erzählt einer, dass es „Kinder von ihm“ gebe, „aber die sind nicht meine Kinder“.
Ein anderer berichtet von der Zeit, als seine Freundin schwanger war und er sich in eine andere Frau verliebt habe. Ein Mann, der eigentlich in Rente gehen wollte, musste die eigene Firma weiterführen, weil der Sohn, der sie übernehmen wollte, vor zwei Jahren tödlich verunglückt ist. Und wieder einer hat versucht, sich aufgrund einer erdrückenden Schuldenlast das Leben zu nehmen. Oft blicken sie direkt in die Kamera, einige werkeln irgendetwas und reden dabei – bis sie innehalten, um dann doch den Blickkontakt zu Katrin Schlösser und ihrem Handy aufzunehmen. So gelingt aus einem einfachen Ansatz, umgesetzt mit schlichten Mitteln, großes Kino. (HLL)
Filmhaus, 2.2., 19.30 Uhr, in Anwesenheit der Regisseurin
Provisorium
Vicky und Yulieth sind als Guerillakämpferinnen der linksgerichteten Rebellentruppe FARC aufgewachsen — ihr ganzes Leben haben sie kaum etwas anderes kennengelernt als den bewaffneten Kampf. Als der kolumbianische Staat einen Friedensvertrag mit der FARC schließt, wollen die beiden jungen Frauen wie viele ihrer Kameraden den Schritt in ein normales, ziviles Leben wagen. Das ist jedoch alles andere als leicht.
Regisseur Markus Lenz begleitet Vicky und Yulieth dabei, wie sie inmitten des schon wieder bröckelnden Friedens versuchen, Arbeit zu finden, sich mit ihren entfremdeten Familien versöhnen und auch selbst Mütter werden. Ungewöhnliche Protagonistinnen, spannendes Thema. (crb)
Filmhaus, 30.1., 20 Uhr, in Anwesenheit des Regisseurs.
Pandoras Vermächtnis
Männer, die sich im Beruf verwirklichen und dabei den Frauen an ihrer Seite eine untergeordnete Rolle zuweisen – eine Konstellation, die über Jahrzehnte, Jahrhunderte der Normalfall war. Auch bei Regisseur G.W. Pabst und seiner Frau Trude. Während er durch Film wie „Die freudlose Gasse“ oder „Die Büchse der Pandora“ zu einem der wichtigsten Filmemacher der Weimarer Republik wurde und durch seine Protagonistinnen das Bild der modernen, selbstbewussten Frau mitprägte, ließ er nicht zu, dass seine Ehefrau sich verwirklichte.
Das konnte sie nur im Geheimen: Sie hielt ihre Gedanken und Träume auf tausenden von (losen) Seiten fest, die Angela Christlieb als Ausgangspunkt für eine Erkundung der Familiengeschichte nimmt. Christlieb befragt die Enkel Ben (vom älteren Sohn Peter) und Marion und Daniel (vom jüngeren Sohn Michael) über das eigene Verhältnis zu den Großeltern und die schwierige Familienkonstellation, die geprägt ist durch den dominanten Regisseur. (HLL)
Filmhaus, 25.1., 20.30 Uhr. In Anwesenheit der Regisseurin Angela Christlieb.