Die britische Pop-Rock-Band The 1975 spielt im ausverkauften Kölner Palladium und verzückt das junge Publikum.
Jellicle-Ball für die Social Media-CommunityThe 1975 spielen intensives Konzert in Köln
Sind sie „die heißeste Band Britanniens“? Die „vorderste Front des modernen Pop-Rock“? Oder gar „die unwiderstehlichste Pop-Band auf diesem Planeten“? Wenn die Presse mit solchen Superlativen um sich wirft, darf man gespannt sein. Freitag sind The 1975 in der Stadt.
Das, was im ausverkauften Palladium abgeht, hat die Anmutung eines Jellicle-Balls für die Social Media-Community. Fast alle im Publikum sind jung. Aber in Gänze bereit, neu geboren zu werden. Als er oder sie, als wir oder als komplett anderes Ich. „I always wanna die (sometimes)“, „Ich möchte immer sterben (manchmal)“ singt Matthew Healy (34). Klingt widersprüchlich. Trifft aber, als Mischung aus Traurigkeit, Koketterie und Wissen um die Wechselhaftigkeit von Gefühlen, einen Nerv.
The 1975 in Köln: Band geht ohne Zugabe
Healys Fans sind die Generation Cola-Wasser-Apfelschorle. Und wenn einer an der Theke zwei Bier bestellt, um eins davon gleich auf ex zu kippen, dann hat das nichts zu sagen. Der Mann ist Engländer. Die sind anders drauf. Was die Soft-Drink-Youngster und den britischen Bier-Barbaren dennoch eint, ist die Verzückung. Vom ersten Moment, als um 20.32 Uhr das Licht ausgeht, bis zum letzten, als die Band um 22.15 Uhr die Bühne verlässt. Ohne Zugabe.
Deswegen könnte man heulen. Gerade nach „Give yourself a try“ (Gönn’ dir selbst einen Versuch). Einem Stück, dessen Taktung die manische Zappelmagie von Madness entfaltet, obwohl es doch, stilistisch, ganz anders ist. Muss man nicht verstehen. Kann man nur fühlen. So wie man diesen Abend fühlt. Heißt: sehr, sehr intensiv. Im Wissen: den vergisst man nicht so schnell.
Im Mittelpunkt steht der Sänger mir seiner „Jekyll and Hyde“-Stimme. Mal nasaler Tenor, mal mit einer Patina versehen, die sich aus der Dunkelheit speist, aus Samt und Brokat und niemals gezählten Packungen von Zigaretten. „Then she goes“ akustisch zur Gitarre ist einer der Gänsehaut-Momente dieses Konzerts.
Matty Healy in Köln: Bad Boy in der „heißeste Band Britanniens“
Pop-Ikonen sind heutzutage Katzen auf heißen Internet-Blechdächern. Healy hat sich schon oft die Pfoten verbrannt. Als er in Malaysia, in Taiwan und Dubai Männer küsste. Als er es wagte, Taylor Swift zu daten. Oder als er, um seiner antifaschistischen Haltung parodistisch Nachdruck zu verleihen, auf der Bühne einen Hitlergruß andeutete. Dass er, der Umweltaktivist, der schon Greta Thunberg mit ins Boot holte, in Köln beteuert, dass die Dekoration der Bühne komplett recycelt wird, wirkt dagegen fast niedlich.
Wobei die Bühne mit ihrem Wohnzimmerambiente in einem durch Lichteinsatz imaginierten Dachgeschoss absolut Charme hat. Und wegen der Roadies in ihren weißen Kitteln, die die Kulisse immer wieder umräumen, wirkt, wie ein Kreativitätslabor. Die „heißeste Band Britanniens“? Auf jeden Fall. Und auch über den Rest der Lorbeeren lässt sich reden.