Beim c/o Pop Festival in Ehrenfeld stehen 26 Konzerte auf dem Programm, mit einer Mischung aus Emocore, Synthesizer-Klängen und Soul.
Festival in KölnDie Stars von morgen erobern die c/o Pop in Köln-Ehrenfeld

Die Münchner Band Vandalisbin.
Copyright: Thomas Kölsch
Der Regen prasselt auf Köln nieder, nicht sonderlich stark, aber anhaltend. Den Besucherinnen und Besuchern der c/o Pop ist dies offenbar egal: Sie drängen in die Clubs in Ehrenfeld, die an diesem Donnerstag im Rahmen des Festivals zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne bieten, und sind offen für alles, was da kommen mag. Immerhin ist die c/o Pop in erster Linie ein Format für die Stars von morgen und ein Spiegelbild der aktuellen urbanen, elektronischen und alternativen Szene – wer neugierig ist, kann hier so einiges entdecken.
c/o pop in Ehrenfeld: Ebenso roh wie intensiv
Allein an diesem Tag stehen 26 Konzerte auf dem Programm, eine bunte Mischung an Klangfarben und Stilarten, die sich immer mehr einer einfachen Klassifizierung verweigern. Was sie gerade dadurch erst so richtig spannend macht. Los geht’s im Club Bahnhof Ehrenfeld (CBE), wo die Französin Théa gerade die Wände zum Beben bringt. Ihr wilder, lauter, mitunter recht düsterer Emocore fegt wie ein Tornado durch den Laden, mit elektronischem Puls auf 180 und Rap-Texten, die in bester Punk-Manier in den Raum gerotzt werden. Häufig geht es um Abhängigkeiten, von Drogen, von Alkohol, von Menschen – und dann wieder wird Théa zur Rebellin und ihre Musik zu einem Aufschrei gegen all das Schlechte in der Welt.
Ein ebenso intensiver wie roher Auftritt. Vor Bumann & Sohn, also schräg gegenüber, hat sich inzwischen eine Schlange gebildet. Der Club platzt bereits aus allen Nähten, längst nicht alle kommen rein. Drinnen spielt das Duo Afar seine hypnotische Mischung aus wabernden Synthesizer-Klängen und eindringlichem, dunkel-warmem Gesang. Was Joseph Varschen und Elena Gniss auf kleinstem Raum zaubern, ist bemerkenswert, zumal die beiden zwar elektronisch, nicht aber digital unterwegs sind. „Der Kontrast zwischen dem Industriellen und dem Organischen ist das Spannungsfeld unserer Musik“, hat ersterer vor nunmehr fünf Jahren gegenüber dem „Tagesspiegel“ gesagt, und daran hat sich bis heute nicht viel geändert.
Ray Lozano gibt ihr Festival-Debüt in Köln
Das artheater liegt direkt um die Ecke mit gleich zwei Spielstätten, dem Basement im Keller und dem Saal, der zum jetzigen Zeitpunkt noch leer ist, abgesehen von einem Techniker und zwei Männern auf der Bühne. Soundcheck. Also runter, zu Vandalisbin. Das Trio um die Schlagzeugerin Helena Niederstraßer, die unter anderem für Ennio trommelt, greift durchaus Elemente aus Soul und Jazz auf, aber zumindest live auch die unbändige Energie des Punk und die Phrasierungen von Element of Crime. Ihre Bühne steht in einer Ecke des Raums, drumherum ein paar Dutzend Leute, die durchaus Spaß an den augenzwinkernden Moderationen und den melancholischen Texten haben.
Eine Etage höher versammeln sich die ersten Fans von Ray Lozano. Die 36-Jährige hat in Köln ein Heimspiel, da trifft es sich gut, dass sie in der Domstadt ihr erstes Festival spielt. Es dürfte nicht ihr letztes bleiben. Die weiche Soulstimme Lozanos wirkt durch den charmanten Lo-Fi-Retrosound nur noch stärker, da die Effekte überaus sparsam und gefühlvoll eingesetzt werden und so ein leichtes, aber erstaunlich tragfähiges Fundament bilden. Schon allein für diese Entdeckung hat sich der Rundgang gelohnt. Und dabei ist dieser noch nicht zu Ende. Auf dem Rückweg ins Zentrum von Ehrenfeld könnte man ja eigentlich noch einen Zwischenstopp bei Bumann & Sohn einlegen, wo die von Portishead-Produzent Geoff Barrow geförderte Anika singt.
Allerdings ist die Schlange vor dem Club nur noch länger geworden. Stattdessen noch einmal rüber in den CBE. Auch voll, aber zumindest für einen kurzen Einblick von der Tür aus reicht es. Auf der Bühne steht der Rapper Jassin, der seinen durchaus überzeugenden Strophen gerne mal Liedermacher-Refrains entgegensetzt, die mitunter etwas nölend klingen. Egal, dem Publikum gefällt’s – und immerhin gehört Jassin (wie so viele junge Vertreter seiner Kunst) zu jenen, die eindeutig Position gegen Rechts beziehen und Haltung zeigen. Zum Schluss führt die Reise noch in die Live Music Hall, wo mit MilleniumKid alias Yasin Sert einer der bekannteren Namen des Line-Ups auftritt.
Erstaunlicherweise ist gerade dieser Saal nur etwa halb gefüllt – zu Unrecht, da die Mischung aus New Wave, Synthi-Pop und Indie-Rock live noch besser funktioniert als im Netz. Immerhin erweist sich das Publikum als erstaunlich textsicher, sehr zur Freude von Sert, der mit glänzenden Augen auf der Bühne steht, sich am blumenumrankten Mikrofonständer festhält und offensichtlich eine ebenso gute Zeit hat wie seine Fans. So schön und so bunt kann die c/o Pop sein.