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Neue Serie „Wunderbar unsichtbar“So läuft die Arbeit in der Kommandozentrale des Schauspiels Köln

Lesezeit 4 Minuten
Sabine Döring
sitzt an einem Schreibtisch, mit der einen Hand tippt sie auf eine Tastatur und mit der anderen hält sie einen Telefonhörer.

Ohne Computer und Telefon wäre Sabine Döring meist aufgeschmissen.

In unserer neuen Serie „Wunderbar unsichtbar“ rücken wir Menschen ins Rampenlicht, die dafür sorgen, dass Konzerte und Aufführungen reibungslos über die Bühne gehen. Los geht's mit Sabine Döring vom Künstlerischen Betriebsbüro des Schauspiels Köln.

Der schwarze Leinenstoff ist schon etwas verblichen, an manchen Stellen löst sich die grüne Litze vom Rand. Wenn das Sofa im Künstlerischen Betriebsbüro des Schauspiels Köln erzählen könnte, könnte es viel erzählen. Von all den Menschen, die schon auf ihm saßen. Um eine Information dazulassen oder nach einer zu fragen, sich auszuruhen oder auszuheulen, Freude zu teilen, Frust zu verarbeiten oder einfach nur, um eine Runde zu quatschen.

„Unsere Tür steht immer offen, jeder kann jederzeit zu uns kommen“, sagt Sabine Döring, „außer wir haben mal ein Zoom-Meeting“. Zusammen mit zwei Kolleginnen sorgt die 59-Jährige dafür, dass es im Gebälk der Bretter, die die Welt bedeuten, nicht kracht: „Das Künstlerische Betriebsbüro ist das Herz vom Theater, die Schaltzentrale – und manchmal auch die Kommandobrücke.“

Das Künstlerische Betriebsbüro verbindet Kunst und Technik

Es fungiert als Bindeglied zwischen Kunst und Technik: „Wir organisieren die ganzen Abläufe. Das Theater ist ein sehr großer, sehr komplexer Betrieb, in dem sehr viele Menschen arbeiten, die miteinander verzahnt werden müssen.“ Ursprünglich wollte Döring Lehrerin werden: „Durch viele Umzüge hatte ich viele Lehrer. Auch sehr viele schlechte. Das wollte ich besser machen.“

Die vielen Umzüge, von Berlin nach Bremen nach Bochum nach Frankfurt am Main – „fast wie ein Zirkuskind“ – waren dem Beruf der Mutter geschuldet. Die auch am Theater gearbeitet hat, anfangs als Dramaturgin: „Wenn ein Intendant den Arbeitsort wechselt, wechselt in der Regel das ganze Team mit.“

Durch Jobs im Studium, als Künstlerbetreuerin in einem Jazzclub und bei einer TV-Produktionsfirma für Kultursendungen, merkte sie, wo ihr eigentliches Talent liegt: „Das alles hatte sehr viel mit Organisation zu tun.“

„Wenn ein Schauspieler krank ist, müssen wir entweder dafür sorgen, dass er nicht krank bleibt – oder einen Ersatz finden.“
Sabine Döring vom Künstlerischen Betriebsbüro des Schauspiels Köln

Heute gehört es zu ihrem Berufsbild, Zeit-, Proben- und Monatspläne zu erstellen: „Wir müssen immer wissen: Wer ist wann wo und warum. Vieles bleibt auch flexibel. Wir stehen auch parat bei Pannen. Wenn ein Schauspieler krank ist, müssen wir entweder dafür sorgen, dass er nicht krank bleibt – oder einen Ersatz finden.“

Auch die Unterbringung von Menschen, die auf Zeit am Schauspielhaus arbeiten, gehört dazu: „Wir haben einen ganzen Stab Wohnungen, in denen sie in ihrer Kölner Zeit leben können. Löffelfertig. Weil die Ausstattung, bis hin zum Löffel, komplett ist“.

Im Schauspiel Köln kann viel passieren

Den „Laden“ am Laufen zu halten, ist ein Fulltimejob: „Das Büro ist unter der Woche manchmal von 9 bis 20 Uhr besetzt, am Wochenende haben wir im Wechsel Bereitschaft. Wir übernehmen auch sogenannte Direktionsdienste und vertreten abends die Intendanz.“ Immer in der Hoffnung, dass nichts passiert.

Und passieren kann viel: „Das Kassensystem fällt aus, ein Schauspieler hat kurz vor der Vorstellung einen Kreislaufkollaps oder sitzt im Zug fest, mitten in der Vorstellung geht plötzlich das Licht an. Ganz schlimm war es während Corona. Da haben wir Rollen dreimal umbesetzt. Und dann sagte der Dritte: ,Jetzt bin ich auch positiv.'“

Der Ehrenkodex des Theaters lautet; „Der Vorhang geht immer auf!“ Deshalb gab es auch schon Aufführungen mit Textbüchern in der Hand oder Soufflier-Knopf im Ohr, oder der Dramaturg sprang spontan als Darsteller in die Bresche. „Unser Job ist schon ganz schön anstrengend, die Sommerpause ist die einzige Zeit, wo wir weder sagen müssen, wo wir sind, noch jederzeit ans Telefon gehen. Das ist unsere einzige Freizeit“, sagt Sabine Döring.

Um das zu stemmen, „braucht man dicke Nerven, viel Gelassenheit, Geduld – und Liebe.“ Aber man muss auch lernen, sich Grenzen zu setzen, „an einem bestimmten Punkt zu sagen: ,O.k., ich habe alles versucht, aber jetzt geht's einfach nicht weiter.'“

Sabine Döring wollte nie selbst auf der Bühne stehen

Als Sabine Dörings Mutter 1999 in Rente ging, war diese Betriebsdirektorin des Schauspiels Köln. Für die Tochter ein Problem? „Das war 2001, als ich hier angefangen habe, schon so, dass ich sehr darauf geachtet habe, dass das nicht alle wissen. Ich habe einen anderen Nachnamen, wollte nicht nur ,die Tochter von…' sein. Inzwischen habe ich einen eigenen Stand.“

Im Familienhaus in Bonn Oberkassel lebt sie zusammen mit Mann, Hund, zwei Katzen – und ihrer Mutter: „Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, weiß sie sofort, wovon ich rede. Ich hole mir auch manchmal Rat bei ihr, oder sie erzählt mir von früher. Da gab es noch keine Handys, aber über Telefonketten ging's auch.“

Hat sie, zumal als Tochter eines Schauspielers, irgendwann einmal damit geliebäugelt, selbst auf der Bühne zu stehen? „Nein. Ich weiß, was ich bin, und ich weiß genau, was ich kann. Ich hatte nie das Gefühl, dass das meine Kunst ist, ich bin eher ein praktisch veranlagter Mensch“. Ihre eigene Tochter hat eine ganz andere berufliche Richtung gewählt: „Sie sagt: ,Ihr am Theater müsst immer soviel arbeiten.'“ Und ist Sprachtherapeutin geworden.