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Im Schauspiel KölnTanzgastspiel „King“ von Shaun Parker & Company erforscht die Frage nach Männlichkeit

Lesezeit 3 Minuten
Szene aus dem Tanzgastspiel "King" von Shaun Parker & Company. Darin ist zu sehen, wie eine Gruppe Männer oberkörperfrei in einem Dschungel steht.

Shaun Parker & Company präsentieren das Tanzgastspiel „King“ im Depot

„Männer allein im Urwald“ könnte das Motto dieses Tanzgastspiels lauten, das die australische Gruppe im Depot des Schauspiels Köln darbietet. Darin werden maskuline Rollenbilder ausgeleuchtet.

Neun Prachtkerle stehen der Größe nach sortiert auf der Bühne. Alle im Smoking, alle feingemacht, alle schlank, sportlich, hoch aufgerichtet, selbstbewusst und ein wenig stolz. Kings eben, männliche Vorzeigeexemplare. Um genau die geht es im Tanzgastspiel „King“ von Shaun Parker & Company im Depot. Die australische Kompanie um den Choreographen Parker brachte „King“ 2019 in Sydney beim Schwul-lesbischen Mardi Gras Festival zur Uraufführung, seitdem ist es eine von mehreren Produktionen, mit der die Compagnie weltweit tourt. In Köln war sie an zwei Abenden zu Gast.

Die neun Tänzer vermessen zunächst gehend ihren Aktionsraum, eine von echtem tropischem Dickicht umstandene Lichtung. Mit den Männern im Smoking ist es zunächst ein Ort im Großstadtdschungel, beschienen von einem kleinen Kristalllüster (Bühne: Penny Hunstead). Wie die Tanzplätze, die manche männliche Paradiesvögel auf dem Waldboden bauen, um sich zu präsentieren, oder wie die Arena beim Stierkampf ist es der Ort, an dem Männer zusammenkommen, um selbiges zu tun: Sich aufplustern, sich groß machen, sich messen, Raum fordern. Imponiergehabe und Mackertum.

Melancholische Songs von Singer-Songwriter Ivo Dimchev

Die Tänzer Joel Fenton, Romain Hassanin, Libby Montilla, Robert Tinning, Samuel Beazley, Harrison Hall, Immanuel Dado, Alex Warren und Max Burgess sind immer in Bewegung, zeigen Akrobatisches und Kunststücke, auch ein bisschen Revue und Capoeira. Ehrgeiz, Geltungsdrang, Selbstversicherung spricht aus den Bewegungen, doch es geht nicht nur um die Einzelnen, sondern genauso um die Beziehungen untereinander. Die Gruppe ertanzt auch eine Rangordnung. Kann etwa nur einer King sein? Jeder Mann ist den anderen in der Gruppe Freund und Kamerad, Rivale und Gegner. Das wird sportlich und auch mit einer guten Prise Humor ausgetragen.

Dazu singt der bulgarische Singer-Songwriter Ivo Dimchev melancholische Songs in englischer Sprache. Er ist nicht wie die anderen auf der Bühne, er trägt seinen Smoking offen, darunter eine lange Perlenkette, begleitet sich selbst auf dem Synthesizer, bewegt sich geschmeidig und gibt allein mit seinem sinnlichen Timbre und den Texten über Liebe, Enttäuschung, Unsicherheit eine emotionale Komponente hinzu.

Im Bewegungsspiel zwischen Aggression und Attraktion kommt es, wie es der menschlichen Natur nach kommen muss, wenn es um Körperlichkeit geht: die Begierde meldet sich. Ein Griff in den Nacken oder ins Haar des anderen, innige Umarmungen, tiefe Blicke ziehen den erotischen Faden ins Beziehungsgeflecht ein. Als sich zwei unter dem gedimmten Leuchter räkeln, schlagen sich die anderen ins Unterholz.

Im Urwald werden die Männer schließlich zur Ur-Menschen mit nackten Oberkörpern und Primaten-Verhalten. Die Songs verstummen, Elektrobrummen erklingt aus dem Off und fasst dem Auditorium in die Mägen. Die unzivilisierte, kreischende Horde grenzt den aus, der anders ist als sie: den, der intensiv liebt, der sinnlich mit einer Stahlkugel tanzt („ball“ bedeutet im Englischen sowohl Kugel als auch Hoden), der sich nicht versteckt, der sich dem heteronormativen Gruppendruck widersetzt. Gewalt ist in der Choreographie Parkers stark stilisiert und damit nicht nur körperlich, sondern auch seelisch zu lesen.

Stehender Applaus im Depot in Köln

Am Ende ist der King ganz nackt. Ein Mann. Nicht mehr und nicht weniger. Er ist anders als die Meute, aber dennoch der Prächtigste unter den Prachtkerlen, da er zu sich und seinen Gefühlen und Begierden steht und sich nicht der Norm oder den Erwartungen unterwirft.

Shaun Parker gelingt es mit der detailreichen und sehr durchdachten Choreographie einerseits, viel Bedenkenswertes zu thematisieren und Assoziationen auszulösen. Das Stück behält zu all den Botschaften und Anstöße einen hohen Unterhaltungswert und erlaubt auch ganz ohne Meta-Ebene den Blick auf attraktive Männer und bildstarke, ästhetische Szenen. Vom Publikum gibt es im annähernd ausverkauften Depot dafür stehenden Applaus.