Kurator Christian Filips hat mit Sängerin Patti Smith einen besonderen Gast für die diesjährige Poetica gefunden.
Schriftsteller aus der Ukraine, Nigeria, IndienSo international wird das Literaturfestival „Poetica 8“ in Köln
Die lyrische Stimme scheint immer aus dem Inneren eines Einzelnen zu sprechen. Dort haben sich offenbar viele Stimmen zu einer einzigen verdichtet. Der Lyriker, Übersetzer und Dramaturg Christian Filips formuliert diese Erkenntnis in dem Satz: „Das Ich ist nämlich Chor, allein.“ Damit hat er das Motto für die „Poetica 8“ ausgegeben, die vom 17. bis 22. April von der Universität Köln und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Köln veranstaltet wird.
Mit dem in Berlin lebenden Christian Filips setzt sich die Tradition fort, eine Autorin oder einen Autoren mit der Kuratierung des internationalen Literaturfestivals zu beauftragen. Aus allen fünf Kontinenten der Erde reisen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. Neben der deutschen Lyrikerin Daniela Danz, werden unter anderem Els Moors aus Belgien, James Noel aus Haiti und Kateryna Kalytko aus der Ukraine erwartet.
Für den aus persönlichen Gründen verhinderten Franzosen Èdouard Louis „springt“ Buchpreisträger Kim de l’Horizon ein. Unter den Gästen ist auch Patti Smith, die bei der Auftaktveranstaltung singen und zusammen mit dem Kurator einen eigenen Abend gestalten wird. Auf die Frage, wie es Christian Filips gelungen ist, die Grandmother of Punk nach Köln zu locken, antwortet er trocken: „Ich habe sie gefragt, und sie hat sofort ,Ja’ gesagt.“
Poetica 8: Sängerin Patti Smith tritt auf
Tatsächlich stellt die Lyrik von Patti Smith hierzulande eine Entdeckung dar, weil von ihr in Deutschland bisher fast ausschließlich Prosa veröffentlicht wurde. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft, das Christian Filips mit seiner Konzeption eröffnet, bietet fruchtbare Möglichkeiten für den Diskurs der Veranstaltungen.
Poetische Freiheit und gesellschaftliche Prägung sollen gleichermaßen Thema sein. „Jedes lyrische Ich hat ein Vielfaches an Stimmen aus Vergangenheit und Zukunft in sich und spricht doch allein“, meint Filips. So befreit das poetische Rollenspiel „vom Zwang zur Identität“, andererseits eröffnet sich aber auch die Chance, für andere zu sprechen. Damit wird die politische Dimension der Lyrik offenbar, und das Programm der „Poetica 8“ präsentiert durchweg Stimmen, die im Namen von Gemeinschaften Stellung beziehen.
So setzt sich etwa Logan February aus Nigeria für die LGBTQ+-Bewegung in Westafrika ein. Die 51-jährige Inderin Sukirtharani klagt in ihren Texten das Kastenwesen Indiens und die Unterdrückung von Frauen an. „Auch Lionel Fogarty ist in Deutschland kaum präsent, in Australien gehört er jedoch zu den ganz großen Autorenpersönlichkeiten“, betont Christian Filips. „In seinem poetischen Sprechen ist er seit Jahrzehnten ein Stellvertreter der Gemeinschaft der Aborigines“, fügt er hinzu.
Aus China sollte Zheng Xiaoqiong anreisen. Die Dichterin erhielt aber keine Ausreisegenehmigung aufgrund der Corona-Restriktionen in China und wird über eine Videobotschaft zum Publikum sprechen. Xiaoqiong ist eine Vertreterin der Wanderarbeiterinnen, die von Stadt zu Stadt ziehen, um in den von westlichen Industrien ausgelagerten Fabriken am Fließband zu arbeiten. Christian Filips sagt von ihr, dass sie als „Aushängeschild der staatlichen Propaganda“ benutzt werde, „aber sobald sie die Arbeitsverhältnisse zu genau beschreibt, bekommt sie Probleme“.
Den chorischen Ansatz verfolgt Christian Filips so konsequent, dass für das Festival ein Chor der Autoren und Autorinnen gegründet wurde. „Auch die Stadtgesellschaft soll beteiligt sein, damit sich das Festival nicht alleine in den akademischen Zirkeln ereignet“. Deshalb werden neben dem Collegium musicum, dem Chor der Universität zu Köln, auch der Rodenkirchener Kammerchor singen. Unter www.poetica.uni-koeln.de finden sich Informationen zu Programm und Kartenkauf.