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Ausstellung in KölnSchnütgen-Museum zeigt mittelalterliches Buch, das eine Frau verlegte

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Das Stundenbuch im Museum Schnütgen.

Das Stundenbuch im Museum Schnütgen.

Das Schnütgen erhielt vom Freundeskreis des Museums ein seltenes Stundenbuch mit reich verzierten Abbildungen.

Ihre täglichen 10.000 Schritte dürften die drei Gefährten mühelos geschafft haben — so dynamisch, wie sie durchs Bild schreiten. Gesund sehen sie allerdings nicht aus, denn sie sind bereits halb verwest.

Schreckhafte Edelmänner

In der Legende von den drei Lebenden und den drei Toten, die seit dem elften Jahrhundert in vielen europäischen Ländern in kleinen Variationen anzutreffen ist, jagen sie den hochmütigen Edelmännern, die durch den Wald reiten, jedenfalls einen gehörigen Schreck ein. Die Nichtigkeit des Erdenlebens betont das mittelalterliche Motiv.

So herrlich ausgeschmückt wie im gedruckten Stundenbuch von 1525 ist das wohl selten zu sehen. Der Freundeskreis des Museum Schnütgen erwarb es für 35.000 Euro, nachdem es Karen Straub, Kustodin am Schnütgen, vor einigen Monaten auf der Kunstmesse Tefaf in Maastricht entdeckt hatte.

Es umfasst alle jene Texte, mit denen sich Laien selbstständig den täglichen Stundengebeten widmen konnten. Die Gebetseinheiten, die Stunden, strukturierten den Tag – in Anlehnung an den klösterlichen Tagesablauf und die Gebetszeiten der Geistlichen.

Elf erhaltene Stundenbücher des Pariser Verlags von Thielman Kerver gibt es heute noch, unter anderem in London und Paris. „Wir sind in guter Gesellschaft“, sagt Museumsdirektor Moritz Woelk. „Mit dem auf Papier gedruckten Stundenbuch ist uns eine reich bebilderte Neuerwerbung gelungen“, freut sich Cornel Soltek, Vorsitzender des Freundeskreises. Es sei ein passendes Geschenk zu Nikolaus.

Sonderschau

Es liegt jetzt in einer Sonderschau der romanischen Cäcilienkirche, dem Herzstück und architektonischen Höhepunkt des Schnütgen. Für Hans Jakob Haniel, Schatzmeister des Freundeskreises, schließt sich ein Kreis, da man 2021 bereits Figuren des Zizenhausener Totentanzes erwarb, die thematisch passen. Und für Woelk gibt die Neuerwerbung Gelegenheit, noch ganz andere Schätze aus dem Depot zu holen. Wie etwa das Kölner Messbuch von 1525, das nun in der Vitrine daneben liegt.

Das Team um ihn und Straub staunte nicht schlecht, als es einige prägnante Darstellungen aus dem Stundenbuch im Messbuch entdeckte. Dieses stammt aus dem Kölner Verlag von Arnold Birckmann und wurde ebenfalls in Paris gedruckt. Es wurden also Motive kopiert und aus anderen Werkstätten übernommen. „Auf diese Weise gelangten einzelne Bilder nach Köln, die ihren Ursprung im Verlag von Thielman Kerver hatten“, sagt Straub.

Beeindruckt war sie zumal von der Geschichte des Verlags, denn eine Frau, Yolande Bonhomme, war für den kostbaren Druck verantwortlich. Das sei damals nur ganz selten vorgekommen. Als Witwe des Verlegers Kerver führte sie nach dessen Tod 1522 über drei Jahrzehnte das Pariser Druck- und Verlagshaus weiter.

Mischwesen und Ranken

Es verfügte über fünf Druckpressen, nach Straubs Schätzungen arbeiteten dort bis zu 25 Mitarbeiter. Die Bücher sind aufwendig gemacht, denn Bonhomme hatte offenbar einen Sinn für Bildschmuck. Es gibt seitliche Verzierungen, in denen kleine Mischwesen oder Ranken illustriert sind. Sind den Gebeten ganzseitige Bilder vorangestellt, zeigten das auch die Rangfolge, so steht das Marienoffizium ganz oben. Straub sieht da manche Parallele zu heutigen Layout-Regeln.

„Die Bilder dienen zur Orientierung.“ Im Vergleich zu den von Hand geschriebenen Büchern mit Bildern und Verzierungen für die Stundengebete, die allesamt Unikate sind, machte der Buchdruck das Stundenbuch zwar etwas erschwinglicher. Eine kostbare Rarität blieb es trotzdem. Es diente dem privaten Gebrauch. Nur Könige oder der Adel konnten es sich leisten. Laut Straub dürfte es so viel wie ein schmuckes Haus gekostet haben.