Bei der Poetica präsentieren internationale Autoren Poesie als Hoffnungsträger, um auf globale Transformationen zu reagieren.
Literatur in KölnAuftakt der Poetica würdigt die Kraft des Gedichts in schweren Zeiten
Ich habe mich in den letzten Wochen sehr auf die Poetica gefreut. Die Texte und die Musik werden bestimmt wieder toll“, flüstert eine Besucherin ihrer Freundin ins Ohr, kurz bevor Universitätsrektor Professor Joybrato Mukherjee mit einem Grußwort in der Aula der Universität zu Köln die 10. Poetica eröffnet.
Gastfreundschaft
Deren Thema in diesem Jahr lautet „Poetic Thinking and Hospitality“ (Poetisches Denken und Gastfreundschaft). Fast zeitgleich wird etwa 6000 Kilometer weiter westlich in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington der frisch gewählte Präsident Donald Trump feierlich vereidigt. Und die gesamte (westliche) Welt scheint zwischen leichtem Bibbern und schwerem Zittern den Atem anzuhalten.
Da wirkt es irgendwie nur logisch, beinahe kampfeslustig, dass sich die diesjährige Poetica „ganz und gar dem Möglichkeitssinn des Gedichts widmet“ und sich wiederholt fragt, auf welche Weise zeitgenössische Poesie weltweit auf die Verengung von Räumen durch gesellschaftliche Transformationen, durch Kriege, Autokratien und andere Diktate reagieren könne.
Alles zum Thema Donald Trump
- Podiumsrunde zur Wahl Kandidaten diskutierten in Hennef über AfD, Atomkraft und Trump
- TV-Panne Dolmetscher hat genug von Trump-Rede: „Wie lange wollt ihr bei dem Scheiß bleiben?“
- Klimaschutz, Migration Diese Beschlüsse hat Trump am ersten Tag seiner Amtszeit gefasst
- Amtseinführung Donald Trump Das müssen Sie über den Look von Melania Trump wissen
- „Aggressiver Nazi-Gruß“ Historikerin sieht in Elon Musks Geste bei Amtseinführung Hitlergruß
- Kuss-Panne, Säbel-Tanz Peinliche Momente und kuriose Auftritte bei Trumps Amtseinführung
- Trump wird US-Präsident Was macht eigentlich Sarah Palin?
Uljana Wolf, selbst deutsche Lyrikerin, Mit-Kuratorin und höchstwahrscheinlich baldige neue Direktorin der Poetica (weil Gründungsdirektor Professor Günter Blamberger die Leitung abgeben möchte), moderiert scharfsinnig denkend und mitfühlend durch den zweieinhalb Stunden dauernden Abend, an dem insgesamt zwölf Autorinnen und Autoren aus Europa, Asien, Zentral- und Südafrika, Nord- und Südamerika in Kurzlesungen ihre Texte vortragen. Die deutschen Übersetzungen werden von den beiden Schauspielern Yuri Englert und Maddy Forst gelesen.
Im roten Sofa vergraben
Wolf spricht zu Beginn von einer Welt, die aus ihren Fugen zu geraten scheine, in der Gesetze – da, wo sie existieren – oftmals außer Kraft gesetzt würden. Ein bisschen vergräbt sie sich dabei in das rote Bühnensofa, so, als könne sie das, was sie da sagt, noch gar nicht so recht begreifen.
Der hinter ihr aufgestellte Flügel wirkt dagegen mächtig, bedrohlich. Und still. Doch in den darauffolgenden Minuten platzt dieses düster daherkommende Szenario regelrecht auf, die ersten sechs Poetinnen und Poeten (Lebogang Mashile, Lina Atfah, Yoko Tawada, Hiromi Itō, Sjón und Michael Krüger) gelangen mit ihren Dichtungen und Botschaften ins Rampenlicht. Und diese sind vor allem eins: raffiniert. Erfrischend. Hoffnungsvoll.
Da ist zum Beispiel Lina Atfah, syrische Lyrikerin und Journalistin, die findet, dass das Navigationssystem ein Gedicht verdiene. Selbstverständlich ist das metaphorisch gemeint, weil es ihr eigentlich um die Beschreibung der Navigation durchs deutsche Leben geht, in dem sie sich seit über zehn Jahren befindet. „Die Deutschen geben so viel, aber dabei sagen sie so wenig“, sagt sie.
Oder der isländische Dichter und Romancier Sjón, der am Ende seiner Präsentation die Aussage „Nur die Poesie kann uns retten“ ins Mikrofon säuselt. Die Aula ergriffen. Kollektiv.