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Konzert in KölnJames Bay begeistert sein Publikum im Palladium

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James Bay

James Bay

Im Kölner Palladium lieferte James Bay eine kraftvolle Show, seine alten Hits verzauberten das Publikum emotional am meisten.

Der Begriff Kairos stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet wortwörtlich „die gute Gelegenheit“. Im übertragenen Sinne ist es also eine festgesetzte Zeit, der günstige Zeitpunkt oder eben das richtige Zeitfenster, das einem im Kontext einer bestimmten Handlung geöffnet wird.

Fast schüchtern: James Bay in Köln

Für James Bay, dem britischen Singer-Songwriter aus der Grafschaft Hertfordshire, der im Rahmen seiner „Up All Night“-Tour nun im Palladium Station machte, sind es wahrscheinlich die Jahre 2013 bis 2015 gewesen, die einen bestimmten Zauber in sich trugen. Selbstverständlich vor allem deshalb, weil er 2015 sein erstes Album „Chaos And The Calm“ – das übrigens in den legendären Abbey Road Studios aufgenommen wurde – veröffentlichte, und er durch Songs wie „Let It Go“ oder „Hold Back The River“ zu internationalem Erfolg gelangte.

Um kurz vor neun - „Get Back“ von den Beatles läuft gerade aus den Boxen - steigt die Anspannung im Publikum bereits enorm. Da wird eine junge Besucherin aus dem dichten Gedränge vor dem Bühnengraben von den Rettungskräften herausgefischt. Sie verpasst leider den Beginn der Show, Hauptprotagonisten Bay, und wie er ein paar Sekunden später schon mit seiner roten Epiphone Limited Edition ‚1966‘ und in für ihn so typischen schwarzen engen Jeans, Boots und Hut voller Demut, fast schüchtern die Bühne betritt.

Die rund 4000, meist weiblichen Fans Mitte dreißig, jubeln ihm frenetisch zu. Ob auch ein „Ich will ein Baby von dir“ dabei ist, ist bei dem Geräuschpegel schwer zu sagen. Die Stimmung auf jeden Fall ist ausgelassen, Bay haut bei „Up All Night“, dem Titelsong seines brandneuen Albums „Changes All the Time“, sein Plektrum kraftvoll in die Saiten. Die Verbindung zum Publikum ist sofort da. Es ist, als durchzucke ein leichter Stromstoß die Viertausend.

Musikalisch betrachtet allerdings kommt die Nummer nicht aus dem Quark. Weil sie weder Fisch noch Fleisch ist, ein bisschen Rock, nicht ganz Folk. Wie am Reißbrett konzipiert wirkt sie. Nur eben ohne Mut für das spezielle Song-Momentum. So wie das beispielsweise „If You Ever Want To Be In Love“ besitzt.

Indian Summer

Allein der unbeirrt-leichte Beat des Liedes kann einen gedanklich ans Lenkrad irgendeines VW Bullis katapultieren: irgendwo unterwegs während des Indian Summers an der Küste Südenglands zwischen Kent und Cornwall. „We were young, we were side by side“, singt das gesamte Publikum mit. Bay lächelt, presst seine unverkennbare Falsett-Stimme noch etwas energischer ins Mikro, weil er weiß, wie magisch dieser Moment ist.

Und wie magisch diese Zeit von „Chaos And The Calm“ gewesen ist, in der er mehreren Grammy-Nominierungen in den Kategorien „Best New Artist“ und „Best Rock“ gegenüberstand, zwei Brit-Awards und ein Echo-Award einheimste und sogar als Nachfolger in Sachen Musikalität und Erfolg für die damals tragisch verstorbene Amy Winehouse gehandelt wurde.

Das war sein Kairos, seine Zeit, die er sich an diesem Sonntagabend zusammen mit seinen treuen Fans und mit vor allem einem Song zurückholt: „Let It Go“. Dass dieses ach so wunderschöne Liebeslied mit sechsfachem Platin ausgezeichnet wurde und mittlerweile über mehr als drei Milliarden Streams zu verzeichnen hat, interessiert heute Nacht niemanden.

Beliebig radiotauglich

Die eine Hälfte des Palladiums küsst sich, die andere singt im Chor „Why are we doing it, doing it, doing it anymore?“ („Warum tun wir es noch mal?“). Schließlich jedoch versiegt die große Liebesbotschaft („I believe in love“ , „Ich glaube an die Liebe“, sagt er ein ums andere Mal) des Herrn Bay ein wenig, seine neueren Kompositionen wirken eher fade, beinahe beliebig radiotauglich.

Aber, na klar, am Ende, bei „Hold Back The River“, können so manche ihre Tränen dann doch nicht mehr zurückhalten. Die eine Hälfte des Palladiums liegt sich in den Armen, die andere singt im Chor „Let us hold each other“ („Lasst uns einander halten“).