Nach zwei Monaten Sommerpause steht die Schlagersängerin wieder auf der Bühne. Zu Beginn des Konzerts zeigt sie sich „extrem emotional“.
„Könnte nicht besser sein“Helene Fischer feiert Auftakt ihrer siebenteiligen Konzert-Reihe in Köln
Sieht man die Narbe? Zögert sie, zagt sie oder zittert gar, wenn zu den Latino-Klängen von „Wunden“ das Trapez auf die Bühne herabgelassen wird? Und: wieso steht draußen die Werbebude eines Discounters?
Antworten auf all diese Fragen gibt Freitag der sehnsüchtig erwartete Auftakt des Konzertmarathons von Helene Fischer. Insgesamt sieben Mal gastiert die 39-Jährige in der Lanxess Arena. Rund 120.000 Besucher werden dort bis zum 2. September ihre Show gesehen haben. Gute Nachricht für Fans von Super-Helene: dank zusätzlicher Kontingente gibt es noch Tickets.
Helene Fischer zeigt sich zu Konzertbeginn in Köln „extrem emotional“
„Ihr Lieben, wie schön, bei euch zu sein, ich muss schon sagen, ich bin extrem emotional. Nach zwei Monaten Sommerpause habt ihr euch das so’ was von verdient, seit März wartet ihr drauf. Ich hab’s seit dem ersten Schritt gespürt – heute wird magisch sein – wie eine zweite Premiere“, begrüßt Fischer ihr vor Begeisterung jubelndes Publikum. Auch die auf den dicht besetzten Rängen, in den ausgebuchten Logen und im wogenden Innenraum sind „extrem emotional“.
Kein Wunder. Ursprünglich hatte die Kölner Konzertreihe schon im März stattfinden sollen, musste aber wegen eines Rippenbruchs, den sich die Künstlerin bei den Proben vorm geplanten Tourauftakt in Bremen zuzog, nach hinten verschoben werden.
Helene Fischer nach zwei Unfällen nun auch wieder in Köln auf der Bühne
Deshalb hatten Städte wie Dortmund und Oberhausen plötzlich die Nase vorn im Reigen der insgesamt 71 Konzerte, die Fischer und ihre Entourage bis Oktober in 14 Städten und drei Ländern geben. Im Juni, beim letzten Konzert in Hannover vor der Sommerpause, passierte Fischers zweiter Unfall. Sie verletzte sich, ausgerechnet beim Stück „Wunden“, am Trapez, zog sich eine Platzwunde zu, die genäht werden musste.
Die Narbe sieht man nicht. Das Trapez erklimmt sie ohne Zögern, Zagen und Zittern. Durch und durch Profi. Auch was Werbeverträge angeht, wie aktuell den mit dem Discounter. Der dafür nicht nur die Bude vor der Arena aufbauen darf, sondern auch einen Spot mit ihr zeigen.
Helene Fischer in Mineralwasser-Spot
Dass es darin um Mineralwasser geht, passt zum sauberen Image der Sängerin, Tänzerin und Entertainerin, die seit 2017, mit Unterstützung des Cirque du Soleil, auch als Luftakrobatin Furore macht, inzwischen Mutter einer Tochter und verheiratet ist, Songs selbst schreibt und textet: „Ich musste einiges verarbeiten, aber ich hatte auch die ganz große Zuversicht und das Vertrauen, dass alles so kommen wird, wie es kommen muss.“
In drei Stunden, abzüglich gut 30 Minuten Pause, fügt sich auch beim Auftakt der Kölner Sieben-Tages-Serie alles bestens. Die Show hat internationales Format, sie wartet mit spektakulären Bildern, gewagten artistischen Einlagen und jeder Menge technischer Spielereien auf.
Helene Fischer zeigt in Köln gewagte artistische Einlagen
Angefangen vom Moment, indem sich ein riesiger Rubin als 3D-Vorhang für die zierliche Bühnenallzweckwaffe erweist. Über Schwünge und Salti an rotierenden Leitern, Trapezen und einem metallischen Gelenkarm, der in verschiedenen Graden und Winkeln dreh- und schwenkbar ist, bis hin zum meterhohen, kaum fußbreiten Podest, mit dem die Protagonistin, nur von einem Gurt um die Taille gehalten, den Kopfüber-Sturz in die Tiefe wagt.
Eine überdimensionale Tischtennisplatte, per Hydraulik nach oben schraubbar, wird immer wieder zur Tabledance-Plattform für die mal rotschwarz, mal goldweiß oder schwarzgold gewandete Heldin. Inmitten ihrer Tänzerinnen und Tänzer, Akrobatinnen und Akrobaten ist sie top in Form und sieht blendend aus.
Helene Fischer in Köln: „Ihr Lieben, mir geht’s fantastisch“
Die Bestätigung „Ihr Lieben, mir geht’s fantastisch“ bräuchte es da gar nicht. Oder die glühende Versicherung, wie gut es tut „dieses Fieber zu spüren heute Abend, du lieber Scholli, ihr Lieben, puh…!“
Auch der Mix stimmt perfekt. Musikalisch – mit Unterstützung einer Band, die zumeist hinterm dunklen Gazevorhang bleibt und drei Backgroundstimmen – ebenso wie dramaturgisch. Zwar entfällt der Löwenanteil der 29 Stücke auf solche wie „Null auf 100“ oder „Wann wachen wir auf“ vom aktuellen achten Album „Rausch“ (2021), aber auch alte Hits wie „Von hier bis unendlich“ oder „Atemlos durch die Nacht“ kommen zu Ehren.
Helene Fischer zeigt Mix aus Solo-Nummern und Ensemble-Stücken
Fischer-Fans der ersten Stunden geht bei so waschechten Schlagern wie „Mit keinem Andern“ das Herz auf. Die superkritischen, sprachlichen Sensibelchen, die bei Reimen wie „Du willst bestimmt noch was Verrücktes tun und ich sag: , Ok, zieh mich nur um!“ schlucken müssen, hören sich da lieber das Cover „Never Enough“ aus dem Film „The Greatest Showman“ an. Bekommen Gänsehaut, so ergriffen sind sie, und denken, wie schade es doch ist, dass die ausgebildete Musicaldarstellerin so selten englische Stücke singt.
Solo-Nummern wechseln mit Ensemble-Stücken ab, dazwischen gibt es virtuose oder poetische Cirque du Soleil-Auftritte, ein Akustik-Set auf der Mittelbühne mit Helene bauchfrei zwischen Lederhose und Bustier. Sie holt Fans zu sich aufs Plateau und erfüllt deren Wünsche, die sie auf Plakaten formuliert haben.
Viele Lacher bei Geburtstagsständchen
Wobei das Geburtstagsständchen für den Chef, der eigentlich da sein sollte, aber leider krank geworden ist, vorab unfreiwillig für viele Lacher sorgt. „Wie heißt er denn, der Chef?“, fragt Fischer. „Florian“, lautet die Antwort. Darauf ihr Kommentar: „Ein toller Name!“ Was aber nur diejenigen goutieren können, die wissen, dass Helene Fischer und Florian Silbereisen jahrelang das Traumpaar der Schlagerwelt waren. Also in der Arena eigentlich alle.
Bei „Regenbogenfarben“ schwenkt sie eine (ausgeliehene) Regenbogenfahne, glänzt bei „Vamos a marte“ als Rapperin und beim druckvollen„Achterbahn“ als Headbangerin. Witzig: dass Fans sie immer wieder mit süßen Leckereien aus Schaumgummi beglücken wollen. Die sie aber gar nicht mag.
Helene Fischer in Köln: „Dieser wunderschöne Auftakt, er könnte nicht besser sein“
Wind, Feuer und Wasser sind ihre Elemente. Die ihre Haare wehen lassen, sie umzüngeln, beim zärtlichen Pas de deux in den Lüften mit Ehemann Thomas Seitel umsprühen. Der comptergesteuerte Wasserfall, unter dem die beiden sich emporschwingen, drehen und umschlingen, ist ein technisches Wunderwerk: 3000 Liter fließen – aber Helenes Haare werden nicht nass.
Das Konfetti, das nach „Achterbahn“ hernieder rieselt, sieht im Licht der rosa Scheinwerfer wie kleine, zarte Rosenblätter aus. „Wir danken euch fürs Spüren-Dürfen“, sagt Helene Fischer, ehe sie mit „Blitz“ und „Alles von mir“ noch zweimal nachlegt. „Dieser wunderschöne Auftakt, er könnte nicht besser sein“, lautet ihr abschließendes Urteil. Man möchte ihr nicht widersprechen.
Die Show
Für den Transport von Material und Menschen braucht es 32 Trucks und 6 Nightliner, dabei sind 30 Ensemblemitglieder und 150 Personen Entourage. Cast, Crew und Team kommen aus 20 Ländern. 100 maßgeschneiderte Kostüme und 1 260 holografische Vinylpartikel zur Intensivierung des Make-Ups, 77 Tonnen Ausrüstung unterm Dach und 5 000 individuell steuerbare Scheinwerfer sorgen für die perfekte Show.
Der komplette Bühnenaufbau dauert 24 Stunden, abgebaut wird in flotten 240 Minuten. In Köln kann alles bis zum 2. September erstmal stehenbleiben.