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Füllhorn des WissensDas bietet der neue Schätzing „Helden“

Lesezeit 3 Minuten
Helden, Frank Schätzing

„Helden“ heißt der neue Roman von Frank Schätzing

Für „Helden“ verquickt der Kölner Autor einmal mehr eine spannende Geschichte mit Gelehrsamkeit.

„Gebenedeit sei Jacop unter allen Halunken.“ Mit dem Dieb hatte Frank Schätzing 1995 eine so sympathische Figur geschaffen, dass man gerne zum 1040-Seiten-Opus „Helden“ greift, um zu lesen, was sich der Autor für diesen Herumtreiber weiter ausgedacht hat.

Dreh- und Angelpunkt ist die Fahrt mit einem Schiff über den Ärmelkanal, an Bord eine Tasche voller Goldstücke und eine Schar Ritter, beides gedacht, um den von den Rebellen um Reformer Simon de Mantford in die Enge gedrängten englischen König Henry III. zu unterstützen. Kölner Kaufleute schicken die finanzielle und die kämpferische Unterstützung, Jacop, mittlerweile bei der Patrizierfamilie Overstolz als Lehrling angestellt, darf die kostbare Fracht begleiten. Allein, das Schiff wird angegriffen, geht mit Mann und Maus unter. Jacop und eine Handvoll Männer können sich und die Tasche retten.

Ab hier rollt Schätzing die Geschichte in zwei Richtungen ab: Zum einen beschreibt er die weiteren Abenteuer der Überlebenden – bei denen ihre Verfolgerin, die geheimnisvolle Muirgheal, eine treibende Kraft ist.

Zum anderen erzählen Rückblenden, was bisher geschah, sowohl in Köln als auch in England. Und das ist eine ganze Menge – im Privaten und in der großen Politik.

Helden, Frank Schätzing

Helden, Frank Schätzing

Da versuchen in Köln die Patrizier die von Erzbischof Konrad von Hochstaden über den Haufen geworfene Ordnung wieder herzustellen. Und auf der Insel werden die eigentlich sinnvollen Reformgedanken getrübt von der Machtgier der Anführer.

Wer Schätzing kennt, weiß mittlerweile, dass diese Verquickung aus Story und Wissensvermittlung das Stilmittel seiner Wahl ist. Bei seinen Recherchen hat er sich viel angeeignet, das er nun mit dem Füllhorn über dem süffigen Plot ausleert.

Manchmal gerät es so üppig, dass diesem die Luft zum Atmen fehlt. Da begutachtet ein Fischer nicht einfach nur seine Gerätschaften, sondern neun verschiedene, allesamt namentlich aufgeführt. Da wird im Dienste des historischen Kolorits großzügig über den Rand gemalt.

Immer, wenn die Story mal richtig Fahrt aufnimmt, zieht Schätzing die Bremse, liefert noch eine üppige Beschreibung oder plötzlich die Innensicht einer Figur, die auf Hunderten von Seiten zuvor noch nicht aufgetaucht ist – und zumindest im Fall des reitenden Boten auch schnell wieder verschwindet.

Diese langen Lektionen sind extrem informativ, aber manchmal auch gehörig auf gelehrt getrimmt: Fremdwörter, wohin das Auge schaut, im bisweilen arg fordernden Zusammenspiel mit Floskeln oder Gesprächsfetzen auf Englisch, Französisch und Latein. Und man muss wissen: „Helden“ ist erst Band zwei einer Trilogie ... man wird noch einmal 1000 Seiten lesen müssen, wenn man wissen will, wie es weitergeht.

Doch dann versöhnt Schätzing mit wunderbar auf den Punkt formulierten Sätzen wie „Sie sieht Nora und Simon, die einen Roman leben könnten und in die Geschichtsbücher wollen.“ Ausufernd und pointiert – er kann beides.