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Direktorin KoselleckBegeisterung für Käthe Kollwitz ist weltweit ungebrochen

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Katharina Koselleck, Direktorin des Käthe Kollwitz Museums.

Katharina Koselleck, Direktorin des Käthe Kollwitz Museums.

Seit Herbst 2022 ist das Käthe Kollwitz Museum wegen Umbauarbeiten geschlossen. Das Museumsteam streckt die Fühler in die ganze Welt aus und stößt auf boomende Nachfrage.

Der gläserne Lift hinauf ins Käthe Kollwitz Museum steht noch still. Aber in der Neumarktpassage weisen Plakate und Aufsteller die Besucher schon einmal darauf hin, dass die Etage im vierten Stock mit Zeichnungen, Druckgrafik und Skulpturen der Kollwitz (1867 bis 1945) im Frühjahr wieder eröffnen soll. Weltweit ist es die größte Sammlung, welche die Kreissparkasse als Eigentümerin kontinuierlich erweitert.

Verbesserte Ökobilanz

Im Dezember 2022 wurde wegen einer anstehenden Gebäudesanierung geschlossen. Es gab – die in Köln wohl fast alltäglichen – Verzögerungen. Erst sollte im Herbst 2023 wieder eröffnet werden, das hieß es auch im vergangenen Herbst. Nun hofft das Museumsteam auf ein „Frühlingserwachen“. Einen Countdown, so Direktorin Katharina Koselleck, wollte sie aber lieber nicht nennen. Zu oft erlebten Kollegen, dass das nicht gut ging.

Aber oben im vierten Stock kündigen sich auf der Baustelle des Museums Vorboten des Neustarts an. Die Technik der neuen Klimaanlage werde vom Feinsten, verspricht Koselleck. Man spricht vom grünen Museum, zur Verbesserung der Ökobilanz trägt auch neues LED bei. So ein Museum ist ein Hightech-Unternehmen, in dem alte Kunstschätze vor Temperaturschwankungen und zu grellem Licht geschützt werden müssen. Auch die Elektrik war marode. Und das wurde dann gleich mit erneuert. Noch fällt der Blick über die offene Decke zwar auf nackte Kabelstränge. Aber: „Das sieht wilder aus, als es ist“, sagt Koselleck. „Schon bald werden Decke und Wände geschlossen.“

Sie führt schon einmal ins Herzstück, das künftige Archiv. Sobald die Räume staubfrei sind, werden die in einem Depot ausgelagerten über 300 Zeichnungen und mehr als 550 Grafiken – rechnet man Plakate, Plastiken und Archivalien hinzu sind es über 1000 Werke – wieder zurückkehren. Die Schubladen der Archivschränke sind aus Eschenholz, das Klimaschwankungen bei den empfindlichen Zeichnungen abfedert. Große Arbeitsflächen lassen sich mit Speziallampen beleuchten, die zu 99,6 Prozent dem Tageslicht nahekommen.

Anfragen aus aller Welt

„Bis heute bewundere ich Käthe Kollwitz“, bekannte Koselleck einmal. Diese Begeisterung ist ungebrochen. Da geht es nicht nur ihr so. Die Nachfrage von Museen weltweit ist immens. Und das sei nicht allein darauf zurückzuführen, dass Kollwitz als eine der ersten Frauen und Kunstprofessorin Furore machte. Die Anmutung, die ihre Bilder haben, der unvergleichliche Strich, der den porträtierten, oft gebeutelten Menschen ein Gesicht gibt, ist in Zeiten von Kriegen und Krisen gefragter denn je.

Bereits während der Schließungszeit wurde Kollwitz in Köln zuerst an alternativen Standorten in der Domschatzkammer, im Museum Ludwig und dem Wallraf-Richartz-Museum gezeigt . Danach ging es auf Weltreise, unter anderen ins Frankfurter Städel oder ins New Yorker MoMA. Noch bis 23. Februar werden 80 Werke in der Dänischen Nationalgalerie gezeigt. „Mensch“ lautet der Titel dort. „Unsere Kolleginnen wurden bei der Eröffnung als Mitglieder des Kopenhagener Teams bezeichnet“, freut sich Koselleck, die den internationalen Austausch schätzt.

Das Bild der Kollwitz revidiere sich gerade. Das Klischee der „mürrisch dreinschauende Sozialistin mit schiefem Dutt“, das in der DDR kursierte, gehöre zur Vergangenheit. Ein Wissenschaftler aus Erfurt ist in Austausch mit dem Museumsteam, um ein neues Bild von der Friedensaktivistin zu gewinnen. Auch für die Kölner, die meinen, „ihre Kollwitz“ zu kennen, dürfte es nach Meinung Kosellecks bei der Wiedereröffnung unerwartete Neuerungen geben.

Das Team war nicht untätig. Die Kreissparkasse unterstützte bei Neuerwerbungen, und es gibt Dauerleihgaben. Kollwitz ist zeitlos aktuell. Das Auseinanderdriften der Gesellschaft, Populismus und Krisen verstärken in vielen Teilen der Welt das Bedürfnis, ihre Arbeit zu zeigen. Es gibt neuerdings Anfragen eines Museums in Italien, auch China zeigt ihr Werk und der Boom der internationalen Nachfragen beschäftigt das Team des Kollwitz-Museums so, dass ihre Zeit in den Büros neben der Baustelle mehr als ausgefüllt ist.

Auch für soziale Kampagnen gibt es regelmäßig die Anfrage, ob ihre Bilder verwendet werden dürfen. Immer wieder sind es laut Koselleck die „Wärmehallen“, nach denen gefragt wird. Zur Illustration von Wärmebussen, Suppenküchen, Sozialprojekten aller Art. Und die Mitarbeiter des Käthe-Kollwitz-Museums geben Fotos der Zeichnung aus dem Winter 1908/9 in der Gewissheit raus, dass es ein zeitloses Bild ist. Menschen, die ihre Gliedmaßen sortieren, die in knackiger Kälte steif geworden sind. Den Mantelkragen hochgeschlagen, die Schirmmütze ins Gesicht gezogen. Zwei Neuankömmlinge löffeln gerade eine Suppe. Diese Arbeit wurde damals im „Simplicissimus“ mit dem Text abgedruckt: „Verflucht, is das ‚ne Kälte! Man könnt meinen, der liebe Gott wär‘ Aktionär von'n Kohlebergwerk.“

Raum für Neues

Das ist der punktgenaue Strich der Käthe Kollwitz. Und viel verändert hat sich an ihrem Thema offensichtlich nicht. Auch rund um die Baustelle am Neumarkt kauern Menschen mit gezeichneten Gesichtern, die Kollwitz heute auch gut hätten Modell sitzen können. Auch für die Museumspädagogik wird die Zeit intensiv genutzt. Es gibt Projekte von Chorweiler bis Halberstadt im Harz.

Im „Raum für Neues“, der unten in der Neumarktpassage übergangsweise als Anlaufstelle für Besucher diente, erprobten sich viele Teilnehmer in der Druckgrafik oder beim Zeichnen mit Holzkohle. Moderne Medien, so Koselleck, würden in Zukunft eine größere Rolle stehen. Aber im Zentrum stehe immer das Original.