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WiederaufnahmeAndrés Orozco-Estrada dirigiert Carmen in Köln mit Verve

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Andrés Orozco-Estrada

Andrés Orozco-Estrada

Der designierte Generalmusikdirektor der Stadt, Andrés Orozco-Estrada stellte sich bei der Wiederaufnahme von Carmen vor. 

Dass die Pferde ja schon mal mit ihm durchgehen, soll einer seiner Dirigierprofessoren zu Andrés Orozco-Estrada gesagt haben. Und als Kind bastelte er sich Taktstöcke aus abgebrochenen Radioantennen. Kölns designierter Generalmusikdirektor scherzt gerne mit solchen Anekdoten. Weiß er doch, dass er sein Temperament beim Dirigieren heute punktgenau austariert.

Wie aus einem Guss

Mit der amerikanischen Regisseurin Lydia Steier, welche 2019 im Staatenhaus die opulente Oper „Carmen“ von Georges Bizet inszenierte, liegt Orozco-Estrada offenbar auf einer Linie. Sie brach mit zuckersüßen Klischees des verführerischen Prachtweibs „Carmencita“, die gerne durch Musik voller Schmelz und wildem Timbre unterstrichen wurden. Nicht bei Orozco-Estrada. Weder die dem Tango verwandte Habanera noch die Trompetenstöße der Offiziere erfüllen überkommene Erwartungen, sondern lassen aufhorchen.

Bei der Wiederaufnahme wirkten Inszenierung, Bühnenbild und Musik wie aus einem Guss. Temporeich ging es gleich los, hochkonzentriert ließen Gürzenich-Orchester und Chor der Oper den Spannungsbogen unter Orozco-Estradas pulsierenden Schlag keine Sekunde abbrechen.

Das Orchester hatte es allerdings neben der breiten Bühne schwer. Versteckt hinter einer nur wenig transparenten Wand schufen nur zwei Monitore Verbindung zwischen Dirigent, Chor und Solisten. Als Orozco-Estrada bereits 2013 heiß umworbener Wunschkandidat als Kölner GMD war und auf Markus Stenz folgen sollte, lehnte er unter anderem ab, da ihn – fast prophetisch – das Gefühl beschlich, dass die Oper nicht fertig wird.

Traumwandlerisches Spiel

Bei seiner Vertragsunterzeichnung sahen die Perspektiven Jahre später besser aus, aber auch jetzt muss er für eine Übergangszeit im Interim im Staatenhaus arbeiten. Und das macht er souverän. Was er am Offenbachplatz dann für Möglichkeiten haben wird, da kann man sich schon einmal drauf freuen.

Der wiederholte Blick auf den Bildschirm zeigt, dass Orozco-Estrada eng in Kontakt mit Chor und Solisten steht. Adriana Bastidas-Gamboa in der Rolle der Carmen liefert da scheinbar traumwandlerisch ein eindringliches Spiel ohne Koketterie und Kastagnetten. Vielmehr wirken der olivfarbene Hosenanzug und der rotzige Auftritt abtörnend. Wäre da nicht ihr Mezzosopran, der von ausdrucksstarker Klangfülle sofort elektrisiert.

Ihre Männer haben nicht weniger Format. Das sind der eifersüchtige desertierte Soldat Don José (Young Woo Kim) und der strahlende Sieger Escamillo (Insik Choi) in der Rolle des Stierkämpfers. Mit Orozco-Estrada auf der Bühne erhalten die Solisten beim Schlussapplaus Jubelrufe, die auch der schüchternen Micaëla (Ivana Rusko) gelten, die zwischen orgiastischen Szenen auf Kirchenbänken und in wackelnden Bordells der Wohnwagenkolonne dem gehörnten Don José den Gruß der sterbenden Mutter überbringt.

Auch die Vorstellungen am 1., 3. und 5. April dirigiert Andrés Orozco-Estrada. Die weiteren Abende übernimmt Dirigent Enrico Delamboye.