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Interview

Klare Worte von Katharina Thalbach
„Mit Joe Chialo als Kulturstaatsminister wird Deutschland provinziell“

Lesezeit 6 Minuten
Tamara (Katharina Thalbach) verteidigt die Ehre der DDR im abendlichen Club-Quiz

Tamara (Katharina Thalbach) verteidigt die Ehre der DDR im abendlichen Club-Quiz.

Ein Gespräch mit Katharina Thalbach über ihren neuen Film, die Merkel-Biografie und schlechte Aussichten für die Kulturszene.

Frau Thalbach, in „Kundschafter des Friedens“ kommen Sie als alte Ost-Spionin nach Kuba und jubeln, weil noch alles wie früher ist. Gibt es Dinge, von denen Sie sich das auch wünschen?

Davon wird ja trotzdem nichts mehr wie früher. Das ist Quatsch. Warum soll ich jammern, dass ich noch mal 20 sein will. Die Welt besteht aus Veränderungen. Mit einem Trick kann man seine Kindheit aber wirklich zurückholen: Meine Kartoffelpuffer schmecken wie bei Mama.

Hatten Sie jugendliche Ideale, die Ihnen heute naiv vorkommen?

Da bin ich sicher nicht die Einzige. In meiner Jugend konnte ich glücklicherweise noch glauben, dass die Welt veränderbar ist. Heute ist es schwieriger, das zu glauben. Wäre ich noch einmal jung, würde ich mich ohnmächtig fühlen. Der ganze Planet ist in Gefahr. Und der Kapitalismus tut so, als ob keine andere Möglichkeit des Zusammenlebens existiert. Immer muss alles wachsen, wachsen, wachsen, wachsen. Alles hat mit Kaufen und Verkaufen zu tun. Träumen wird einem schwer gemacht. Umso mehr muss man es tun.

Wird der Generationenkonflikt gerade besonders scharf ausgetragen? Oder lächeln Sie über den Streit zwischen Boomern und Gen-Zlern?

Worüber lächle ich? Über das Gendern?

Ich meinte die Generation Z. Aber wir können auch gern übers Gendern sprechen. Im Generationenkrieg ist das ja ein großes Thema.

Das Gendern halte ich für einen Nebenschauplatz. Solange es für uns Frauen nicht gleiches Geld für gleiche Arbeit gibt, sind Diskussionen über Wörter müßig. Es geht ums Geld. Ob da ein Sternchen steht, ist mir wurscht. Aber ich muss zugeben, dass ich diese Probleme nie hatte. Ich kam emanzipiert aus der DDR. Ich habe mich immer wehren können. Wenn die jungen Leute gendern wollen, sollen sie es tun. Wir haben ja auch mal „frau“ statt „man“ gesagt. Das ist auch wieder verschwunden. Ich bin zu alt, um mir meine Redegewohnheiten abzugewöhnen.

Angela Merkel hat dem „Spiegel“ zum Ampel-Aus kürzlich nur ein Wort gesagt: „Männer“. Sind Männer in Konflikten wirklich nachtragender und unflexibel? Ich glaube schon, dass Frauen großzügiger sind. Das mussten sie sein. Weibliche Anpassungsbereitschaft stützt sich auf ein Jahrtausende altes Training.

Haben Sie die Merkel-Memoiren gekauft?

Ich hatte das Buch bei Amazon sogar vorbestellt. Das lese ich aber sicher nicht am Stück. Sowas liest man etappenweise.

Hat die echte Merkel schon mal auf die unechte der Miss-Merkel-Krimis reagiert?

Nein, nein, das wird sie auch nie tun. Sie hat mir gesagt, dass sie gar keine Zeit dafür hätte. Und ehrlich gesagt: Ich glaube es ihr.

Auf der Bühne spielen Sie Agatha Christies Hercule Poirot. Miss Marple haben Sie noch nie gespielt, oder?

Nee, die würde ich mich auch nicht trauen. Die ist für mich untrennbar mit Margaret Rutherford verbunden. Sie ist die ultimative Miss Marple. Die kann kein anderer mehr spielen. Deshalb spiele ich Poirot.

Die neuen Poirot-Filme im Kino macht Kenneth Branagh, als Hauptdarsteller und als Regisseur. Gefällt Ihnen das?

Nein. Ich finde Kenneth Branagh zu eitel. Mir missfällt schon der riesige Schnauzbart. Die ersten 20 Minuten sind bei ihm meistens toll. Danach wird es langweilig.

Wieso schadet Schauspieler-Eitelkeit – und zwar besonders die von Kenneth Branagh – einem Film?

Am Anfang fand ich Branagh toll, in seinen Shakespeare-Filmen. Als Heinrich V. war er gut. Danach kamen zwei Shakespeare-Komödien, auch gut. Bei seinem Hamlet kamen mir Zweifel. Und nach Frankenstein wollte ich nichts mehr von ihm sehen. Als Poirot macht er mir viel zu viel: Er ist Liebhaber, Action-Darsteller und er bringt beim „Mord im Orient-Express“ auch noch das jüdische Thema rein. Gerade in dem Film hat er ein Ensemble erster Güte: Judi Dench, Penélope Cruz, Willem Dafoe, Michelle Pfeiffer. Schauspieler, bei denen ich niederknie. Aber mit Ausnahme von Johnny Depp sieht man sie gar nicht. Man sieht nur: Kenneth Branagh. Inzwischen hat er insofern daraus gelernt, als er neben sich nur noch unbekannte Schauspieler besetzt.

Gibt es auch eine produktive Form von Eitelkeit?

Als Schauspieler muss man eitel sein. Es ist nur die Frage, ob man das Werk gut aussehen lässt oder sich selbst.

Frau Thalbach, ich bin 50 und zum ersten Mal fühle ich mich alt: Ich kann mir nicht mehr merken, wie der „Tatort“ von gestern ausgegangen ist, und im Kino bin ich sogar schon mal eingeschlafen. Kriegt man dafür zum Ausgleich was zurück? Kommen irgendwann die verschütteten Kindheitserinnerungen wieder hoch?

Nee, das kriegen Sie nicht. Nicht, wenn Sie damit nicht jetzt schon anfangen. Sie müssen sich nämlich erstmal richtig am Leben erfreuen. Und das jetzt. Das hat nichts mit einer Zahl zu tun. Mir haben sie immer erzählt: Oh Gott, wenn man erst mal 20 wird, oder 30, 40, 50, 60 … dann wird alles anders. Bei mir hat das nie was verändert. Änderungen kommen, aber langsam. Das hat die Natur ganz gut eingerichtet. Was ich dabei als so absolut angenehm empfinde: Ich werde entspannter. Ich nehme alles nicht mehr so wichtig, mich selbst eingeschlossen. Die Zipperlein werden trotzdem mehr. Tut mir leid.

Sie sind ein Urgestein der Berliner Kultur. Und die wird gerade massiv zusammengespart. Was sagen Sie dazu?

Das finde ich unmöglich. Mein Hauptargument ist der Flughafen. Der BER hat eine Zeit lang jeden Tag eine Million gekostet. Jeden Tag. Das haben wir Steuerzahler bezahlt. Jetzt haben wir offensichtlich ein riesiges Haushaltsloch – und kürzen ausgerechnet den Kulturetat, den kleinsten Posten im ganzen Haushalt. Wir haben mit Joe Chialo einen Kultursenator, der sagt: Das ist leider über meinen Kopf hinweg entschieden worden. Und er hat nicht mal protestiert. Stattdessen sagt er: Zieht euch warm an – wir müssen jetzt mal Kunst nach kapitalistischen Maßstäben machen. Bettelt doch irgendwelche Hotels als Sponsoren an, aber nicht mehr den Staat.

Er wird als Nachfolger von Kulturstaatsministerin Claudia Roth gehandelt. Was passiert, wenn das passiert?

Dann wird alles noch schlimmer. Und nicht nur Berlin. Dann wird Deutschland provinziell.

Könnte die Politik nicht gerade Ihnen sagen: Sie spielen Ihren Poirot am Privattheater – es geht also auch ohne den Staat.

Ja, bei uns könnte er das sagen. Aber das ist nicht die Regel. Und es müssen auch Dinge gefördert werden, zu denen nicht die Massen strömen. Wir brauchen auch den unbekannten Autor, der, was weiß ich, einen schrägen Monolog über Ameisen schreibt.

Ich habe zwei letzte Fragen notiert. Suchen Sie aus, welche wir nehmen? Die erste wäre: Darf man Ihre Rolle als Spionin als Bewerbung auf die James-Bond-Nachfolge verstehen?

Das beantworte ich schon mal gern. Was wäre die zweite Frage?

Ihre „Kundschafter“-Figur prägt ein Motto, das die Zuschauer durchs Leben begleiten wird: „Erst bumsen, dann küssen!“ Hat sie recht?

Das werde ich beides sehr gern beantworten. Erstens: Ich möchte auf jeden Fall der nächste James Bond werden. Oder der Übernächste. Es wäre mir eine Riesenfreude, wenn 007 zu 0085 mutiert. Wenn das für mich Fitness-Center und Hantel-Training bedeutet – bitte, gern. Ich stehe bereit. Und was das Bumsen und Küssen angeht, möchte ich es so formulieren: Mal so, mal so. Es ist beides gut. Egal, in welcher Reihenfolge.

Am 23. Januar kommt „Kundschafter des Friedens 2“ ins Kino. Der Film von Robert Thalheim erzählt von pensionierten DDR-Spionen, die auf Kuba versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Neben Thalbach spielen Henny Hübchen, Winfried Glatzeder und Corinna Harfouch.