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„Ein versoffener Partyhengst!“Vorhang auf für Jan Bosses „Falstaff“-Projekt

Lesezeit 4 Minuten

Die erste Hälfte des Abends verbringt das Publikum in Jan Bosses „Fallstaff“-Inszenierung an Bierbänken.

Köln – „Das Konzept ist einfach zu gut, um es zu ändern!“ Anderthalb Jahre lang lag Jan Bosses „Falstaff“-Projekt am Kölner Schauspiel auf Eis – die Corona-Bestimmungen machten dem Regisseur und seinem Team einen Strich durch die Rechnung. Denn: Die Zuschauer werden im ersten Teil des Abends wie in einem Festzelt mit auf der Bühne an Biertischen sitzen – und Dank eines Sponsors gibt es Kölsch aufs Haus.

Kurz vor dem zweiten Premierentermin am 18. März kam dann ein weiteres Aus für die Produktion: Corona-Erkrankungen bei Mitwirkenden. Aber aller guten Dinge sind drei: Endgültig wird sich der Vorhang für „Falstaff“ am 12. Juni heben.

Falstaff: Beliebte Nebenfigur

Falstaff – das ist ein Soldat, der in mehreren Stücken Shakespeares auftaucht: In den beiden Teilen von „Heinrich IV.“ als Figur, in „Heinrich V.“ wird über ihn gesprochen. Und als Auftragsarbeit von Elisabeth I., die Falstaff sehr mochte, entstand die Komödie „Die lustigen Weiber von Windsor“. „Aber das ist irgendwie nicht der gleiche Falstaff, deshalb haben wir das Stück nicht mit ihn unseren Abend aufgenommen.“

Wie erobert man das Publikum zurück?

Ein ganz konkretes Problem vieler Veranstalter und Veranstaltungen ist derzeit, dass die Zuschauer sich nur zögerlich einstellen.

Eine Lösung dafür hat Jan Bosse auch nicht. „Ich finde es immer noch überraschend, dass dennoch viele Leute kommen“, freut er sich im Hinblick auf seine Berliner „Eurotrash“-Inszenierung mit Angela Winkler und Joachim Meyerhoff, für die es keine Karten mehr gab. „Ich selber bin zum Beispiel beim Kino sehr zögerlich gewesen. Aber ich bin froh, dass Leute kommen. Denn wenn keiner mehr kommt, haben wir keine Legitimation mehr, Theater zu machen.“ (HLL)

Falstaff ist der beste Freund des Kronprinzen: „Ein versoffener, verdrogter Partyhengst, der alles ablehnt: Verantwortung, Ernsthaftigkeit, Politik sowieso.“ Eine Figur, die beschrieben wird als fett, alt, betrunken und korrupt – wie schwer war es da, Bruno Cathomas zu überreden, den Part zu übernehmen? „Er hatte selber die Idee, nachdem er 2008 die Königsdramen gelesen hatte. Vor zehn Jahren hatte er mir davon erzählt. Eigentlich ist er zu schlank für die Rolle, zu jung und hat ein viel zu großes Herz, aber er kann das alles darstellen“, sagt Bosse grinsend.

Shakespeare-Fragen sind noch aktuell

Bosse und Dramaturgin Gabriella Bußacker, die den Text zusammenstellen und übersetzen, konzentrieren sich auf die beiden „Heinrich IV“-Dramen, auf den Aufstieg und Fall eines Königs und auf dessen Sohn, der auf den Thron folgen soll, aber nicht dazu bereit ist. An diesem Prinz Hal hangele er sich am meisten lang, erzählt Bosse im Rundschau-Gespräch. Und hier sieht er wie so oft bei Shakespeare ganz aktuelle Fragen: „Will man Macht? Wie viel ist man bereit, dafür zu arbeiten? Wie viel Vergnügen muss sein, damit man die Arbeit aushält?“

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Wenn ein Stück wie jetzt für fast zwei Jahre ruhen muss, hätte es, so Bosse, passieren können, dass Zweifel an der Idee, am Konzept hätten aufkommen können. „Aber wir hatten ja eine insgesamt 15-jährige Vorgeschichte, so war es sowieso gut abgehangen. Und es hat sich eher in die andere Richtung entwickelt: Zum einen hatten wir mehr Zeit für die Übersetzung. Zum anderen haben sich Themen in den letzten beiden Jahren mehr aufgeladen: Die Sehnsucht nach dem Feiern in einer Welt, in einem Staat, der das gerade verbieten muss. Und auch das Dilemma zwischen Freiheit und Staat – zwischen Gesetzen und der persönlichen Freiheit.“

Dies merkt Bosse auch bei sich: „Obwohl ich ein totaler Impfbefürworter bin – das ist generell eine der größten Errungenschaften der Medizin überhaupt – kann ich gleichzeitig akzeptieren, dass Leute für sich sagen, dass sie das nicht möchten. Deshalb kann ich privat nicht für eine Impfpflicht sein, obwohl ich sie für notwendig halte.“ Und wie würde Falstaff dazu stehen? „Wenn man es konsequent weiterdenken würde, müsste er Impfgegner sein. Entweder würde er sagen, Na und, der Tod gehört zum Leben dazu, es ist alles Schicksal. Oder er würde Corona in Wodka ertränken.“