Vor ihrem Wechsel nach Berlin zum 1. Juni 2025 schaut die designierte Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Marion Ackermann skeptisch auf den möglichen Einfluss von Kunst und Kultur auf die Gesellschaft.
Neue SPK-PräsidentinWas kann Kultur überhaupt noch bewirken, Frau Ackermann?
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) wird oft als Tanker unter den Kulturinstitutionen angesprochen. Können Sie mit diesem Bild etwas anfangen?
Nein, ich finde es eher einengend. Als ich seinerzeit in Düsseldorf anfing, hieß es, ich träte in sehr große Fußstapfen. Ich habe entgegnet: Dafür sind meine Absätze höher. Von einem Tanker spreche ich jetzt nicht. Das Wort ist mir viel zu statisch. Ich freue mich einfach auf Berlin und die anarchischen Effekte einer Metropole. Deshalb ist es ja auch richtig, wenn die einzelnen Institutionen der SPK mehr eigenen Bewegungsraum bekommen.
Hermann Parzinger galt wegen seiner Grabungen in fernen Weltgegenden als der „Indiana Jones“ an der Spitze der SPK. Jetzt kommen Sie – als erste Frau in dieser Position. Wie gehen Sie mit tradierten Rollenverständnissen um, gerade dann, wenn es um Spitzenpositionen geht?
In solchen Fragen denke ich schon feministisch. Ich finde es wichtig, dass Frauen zu gleichen Anteilen Positionen in der Kunstwelt einnehmen. Ich setze da gern ein Zeichen. Mit einengenden Zuschreibungen kann ich, für Frauen wie für Männer, nicht viel anfangen. Leistung hat nichts mit dem Geschlecht zu tun.
Sie sind noch nicht in Berlin, werden aber medial schon bewertet. „Monopol“ bescheinigt Ihnen Machtbewusstsein, die „Bild“ titelt: „Peinlich-Kulturmanagerin“, etwa wegen des Raubes aus dem Grünen Gewölbe. Wie interpretieren Sie diese Reaktionen?
Ich bin erst einmal überwältigt von der überwiegend sehr positiven Medienresonanz, gerade auch aus unterschiedlichen Bundesländern. Das ist mir wichtig, weil ich ja schon in verschiedenen Ländern gearbeitet habe. Ich sehe, dass die roten Fäden meiner Arbeit wahrgenommen werden.
Und Sie gelten als ehrgeizig.
Ja, und das finde ich bezeichnend. Wenn Frauen etwas erreichen wollen, sind sie ehrgeizig. Bei Männern würde man das nicht sagen. Ich sage vor allem: Ich bin nicht machtbewusst, sondern macht-bewusst. Ich gehe sehr vorsichtig mit Macht um. Ich bin deshalb auch für Zeitverträge auf der Führungsebene, nicht mehr für Lebensstellungen, gerade weil man in Spitzenpositionen ja sehr viel Macht besitzt. (Frau Ackermanns eigener Vertrag ist auf fünf Jahr befristet, mit Option auf Verlängerung, Anm. d. Red.)
Wie bewerten Sie, was die „Bild“-Zeitung über Sie schreibt?
Das speist sich aus der Sprache der Hater in den sozialen Netzwerken. Ja, ich bin Ziel von Hatern. Das bezieht sich auf verschiedene Aspekte meiner Persönlichkeit, auch darauf, dass ich eine Frau bin. Bei bestimmten Formen der Ansprache stelle ich Strafanzeige, andere Dinge muss man leider akzeptieren. Ich ziehe klare Grenzen. Ich akzeptiere keine Diskriminierung, keinen Rassismus, keinen Antisemitismus und auch keine Fremdenfeindlichkeit.
Haben sich Ihre Erfahrungen mit Hatern in Ihrer Dresdner Zeit intensiviert?
An jeder meiner beruflichen Situationen habe ich auch Widerstände gespürt. Ich möchte da rückblickend nichts verklären. Ein Satz von Helmut Friedel, meinem Chef während meiner Zeit am Münchener Lenbach-Haus, hat mir sehr geholfen.
Und der lautet?
Friedel wusste, dass ich harmoniebedürftig bin und wie hart es ist, aus einem Team heraus plötzlich Chef zu werden. Das macht auch einsam. Er sagte: Du machst etwas falsch, wenn Du Dir nach einem Jahr noch keine Feinde gemacht hast. Das ist ein Schlüsselsatz, denn man kann nicht mit allen lieb Kind sein. In Dresden bin ich in eine durch das Aufkommen von Pegida aufgeheizte Situation gekommen. Kurz vor meinem Eintreffen war die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel am 3. Oktober an der Frauenkirche mit faulen Eiern beworfen worden. Natürlich war ich da die Tussi aus dem Westen.
Hat das Ihre Zeit in Dresden geprägt?
Nein, denn das war nur ein Aspekt. Ich habe in Dresden auch wunderbare Menschen getroffen. Wir unterhalten für unsere Museen allein 15 Freundeskreise. Ich habe hier viele Stifter gefunden. Es gibt nicht so viele Dax-Konzerne wie im Westen, aber ich habe zum Teil mehr Gelder einwerben können.
Die letzten Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen haben Sie schockiert. Sie wollten mit Kunst für eine offene Gesellschaft werben. Ist dieses Projekt gescheitert?
Wir sind alle enttäuscht, da wir uns extrem engagiert haben. Viele Mitarbeitende haben sich in die Auseinandersetzung begeben. Im letzten Wahlkampf haben wir dafür das Projekt „180 Ideen“ für Sachsen aufgelegt. Mit unserem Bus „Mobiles Museum“ sind wir durch das ganze Land gefahren. Ich habe ein ganzes Team für dieses und weitere Projekte aufgebaut. Andererseits wollte ich für unser Haus Glamour durch internationale Großprojekte, aber eben auch die politische Botschaft der Freiheit. Ich wollte mit der Kunst etwas in der Gesellschaft verändern, natürlich ohne parteipolitische Festlegung.
Haben Sie denn gerade junge Leute erreicht?
Da bin ich mir nicht sicher. Wir erleben, dass gerade Erstwähler sich für rechte Positionen entscheiden. Viele Junge haben, Studien zufolge, Zweifel an der Demokratie als richtigem politischen Format. Darauf haben wir mit dem Projekt „Die Erfindung der Zukunft“ reagiert und eine Ausstellung mit den Themen junger Menschen entwickelt. Deren Bedürfnisse hatten wir vorher durch eine Studie an der TU Dresden erheben lassen. Jetzt zweifle ich bei der Frage, wie weit die Mittel der Kunst tragen. Wir haben doch an diese Möglichkeiten immer geglaubt.
Was meinen Sie mit diesem Glauben?
Es geht darum, Kunst eine Wirkung zuzutrauen. Wir wollten Menschen aus der Polarisierung herausholen und aus extremen Positionen. In der Zeit der Pandemie haben sich viele Menschen radikalisiert. Sie sind seitdem nur noch schwer erreichbar, hören oft gar nicht mehr zu. Viele verschanzen sich, wollen keine Konflikte mehr. Die moderne Kunst ist aber aus Konflikten heraus entstanden. Das macht sie aus. Die reine Harmonie kann nicht das Ziel sein. Wer in der Kunst nur das Schöne und Glamouröse sucht, der stellt sie still.
Der Streit um Antisemitismus in der Kultur zeigt, dass Kultur und Kunst keine Arena des unbefangenen Austausches mehr sind. Inwiefern trauen Sie es Kultur und Kunst noch zu, etwas für den gesellschaftlichen Austausch zu erreichen?
Diese Ambition würde ich niemals aufgeben. Dann hätte ich ja keinen Antrieb mehr. Vielleicht müssen wir aber unsere Methoden ändern. Vielleicht haben wir die Themen noch zu wenig an unsere Adressaten angepasst. Das gilt schon für die Sprache. Viele haben das Gefühl, überfordert zu werden, auch mit Themen wie dem Kolonialismus oder einer neuen, sensiblen Sprache. Ich denke, wir müssen da ganz einfache Fragen und Themen ansprechen.